HAUSMEISTER ROLAND KIEPE
Wohnanlage Rosenstift
„Ich kann mir keinen anderen Beruf vorstellen. Ich liebe die Arbeit als Hausmeister!“, sagt Roland Kiepe, Hausmeister der Wohnanlage Rosenstift, genauer gesagt der Freimaurerischen Senioren-Wohnanlage Rosenstift e.V. – so der offizielle Name.
Man nimmt es Roland Kiepe ab, dass er gerne als Hausmeister arbeitet. Er ist seit 2009 die Seele des weitläufigen Hauses am Weg beim Jäger 78. Kennt natürlich jede und jeden der etwa 75 Bewohner beim Namen, grüßt freundlich, winkt, hat zu jedem ein freundliches Wort auf den Lippen. Wir sitzen zum Gespräch in der Eingangshalle der Wohnanlage beim Kaffee. Moin Roland, hallo Roland, tschüs Roland – alle nennen ihn beim Vornamen.
Die Handwerker, die mit Werkzeug beladen vorbeigehen, „kommen von den Freimaurern“. Die Wohnanlage gehört der Zinnendorf-Stiftung, einer freimaurerischen Einrichtung, die in Eppendorf ein Pflegeheim für schwerstbehinderte junge Menschen betreibt. Freimaurer sind bekanntlich eine verschwiegene Gemeinschaft, die weltweit nach Schätzungen etwa 2,6 bis 3,2 Millionen Mitglieder hat – in Deutschland etwa 15.000 – und die sich 1723 in England als sogenannte Loge konstituiert hat, um in Salons und Lesegemeinschaften aufklärerisch zu wirken.
Freimaurer haben sich verpflichtet, freimaurerische Gebräuche und Logenangelegenheiten nicht nach außen zu tragen. Diese Verschwiegenheit soll intern den Austausch befördern. Die Ursprünge der Freimaurerei reichen bis ins 14. Jahrhundert zurück und sind auf mittelalterliche Steinmetzbruderschaften zurückzuführen. Heute widmen sich die Freimaurer vorrangig gemeinnützigen Projekten.
Roland Kiepe war, bevor er sich auf den Job als Hausmeister bewarb, als Handwerker beschäftigt. Er war Kürschner. Betrieb auch einen eigenen Laden, der zum Ende jedoch, wie viele Kürschnerbetriebe, durch die beständig sinkende Nachfrage nach Pelzen (sogenannten Rauchwaren), immer weniger Gewinn abwarf. Kiepe musste sich nach einem anderen Job umsehen. Da er schon immer handwerklich geschickt war, kam ihm das Angebot, als Hausmeister zu arbeiten, gerade recht. Der Vorteil seiner Bewerbung war, dass er im Rosenstift wohnte.
„Warum das?“, frage ich Roland – wir sind sofort beim „Du“ gelandet. „So alt bist du doch gar nicht?“ Roland Kiepe ist 1951 geboren.
„Es war schwierig damals für mich, eine Wohnung zu finden auf dem freien Markt. Die Vermieter wollten immer Verdienstbescheinigungen sehen, die hatte ich als Selbstständiger natürlich nicht.“ Roland Kiepe fand eine Wohnung im Rosenstift und wenig später dort den Job. Einer seiner Vorgänger wollte oder musste gehen, Roland bewarb sich.
„Damals war hier eine ganz merkwürdige Stimmung. Die Leute waren anders. Irgendwie gereizt. Es gab auch häufiger mal Stress.“ Kann man sich bei Roland Kiepe gar nicht vorstellen. Die Stimmung hat sich inzwischen verbessert. Vielleicht durch die freundliche Art von Roland Kiepe. Vielleicht aber – wie er sagt – durch den Generationswechsel bei den Bewohnern. „Die sind jetzt anders drauf als früher.“ Es wohnen auch Jüngere im Seniorenheim. Die Jüngste ist gerade mal 25 Jahre alt – die älteste Bewohnerin ist 88.
„Der Vorteil ist zugleich der Nachteil“, meint Roland Kiepe. „Dadurch, dass ich hier wohne, bin ich immer ansprechbar.“ Häufiges Problem: Jemand hat seinen Schlüssel vergessen, verloren, vertüdelt. Klingelt mitten in der Nacht bei Roland Kiepe. Einige seiner Kunden sind Wiederholungstäter. Verständlich bei Demenzkranken. Roland Kiepe nimmt es mit Gelassenheit.
„Für die bin ich Mädchen für alles.“ Oft heißt es: „Kannst du mich mal nach oben bringen, Roland?“ Er schiebt dann einen Rollstuhlfahrer in den Aufzug und bringt ihn sowie seine Einkäufe ins Obergeschoss. Die Wohnungen sind natürlich alle per Aufzug erreichbar. „Die Leute haben auch ständig irgendwelche Fragen. Ich versuche dann zu helfen.“
Den Groß Borsteler Boten benutzt er dazu als Lexikon. Er sammelt alle Ausgaben und schlägt bei Bedarf immer wieder mal nach. Wie war das noch mit der Groß Borsteler Rennbahn, dem Lichtforschungsinstitut oder Alfred Wegeners Drachenversuchen? Oder wie finde ich die Telefonnummer von Andreas Frisörlädchen? Oder überhaupt: Was ist los in Groß Borstel? Der Borsteler Bote gibt Auskunft.
„Auch die Wohnungsgesuche in den Kleinanzeigen, die lese ich immer sehr aufmerksam. Manchmal haben wir ja eine Einzimmer- oder Zweizimmerwohnung gerade frei. Da rufe ich dann an. Vielleicht ist das ja was.“
Ein Leben ohne Arbeit als Hausmeister kann sich Roland Kiepe nicht vorstellen. Er steht morgens um 6.30 Uhr auf. Nach dem Frühstück geht es an die Arbeit. Handwerker müssen beauftragt und eingewiesen werden. Sein Vier-Stunden-Job, den er seit Renteneintritt hat, ist eigentlich zu knapp bemessen. „Ich muss immer irgendetwas tun. Einfach so rumsitzen, das kenne ich nicht.“
Uwe Schröder