VÖGEL IN GROSS BORSTEL

Die Ente

Naturfotograf Michael Rudolph, dem wir das seltene Foto von einer Fisch fressenden Ente verdanken, ist viel an der Tarpenbek unterwegs. Er fotografiert dort mit professioneller Kamera „alles, was fliegt“. In unserer neuen Serie stellen wir die Vögel Groß Borstels vor. Heute: die Ente.

Am 1. April, dem Erscheinungsdatum dieser Ausgabe, könnte man natürlich eine richtig schöne Zeitungsente präsentieren. Aber nein, wir wollen versuchen, bierernst zu bleiben.

Wir sehen hier auf dem Foto eine Ente, die offensichtlich gerade einen Fisch verspeist. Freitag ist bekanntlich Fischtag, dieses Foto jedoch wurde an einem Mittwoch aufgenommen, genauer gesagt am 10. Februar. Ein eisiger Tag, an dem Michael Rudolph nachweislich ein ruhiges Händchen hatte. Denn das Foto ist bei klirrender Kälte mit einem 500er Tele aufgenommen worden. Lässig aus der Hand, also ohne Stativ. Respekt.

Dabei ist es fast unmöglich, keine Ente an der Tarpenbek zu fotografieren. Gefühlt alle zehn Meter watschelt eine quackelnd am Ufer oder gründelt kopfüber mit himmelwärts gerichtetem Bürzel.

Das Foto zeigt eine Stockente, genauer gesagt einen Stockerpel. Die Ente (lat. Anatidae) zählt zur Gattung der Gänsevögel. Wenn also die kleine Chantal aus Marzahn Gans zu dem Fisch fressenden Vogel auf dem Foto sagen würde, was passieren kann, dann hätte sie nicht ganz unrecht.

Enten sind nicht allzu wählerisch bei der Essensauswahl. Zumeist ernähren sich wild lebende Enten von Kleinstlebewesen, die sie im Wasser oder am Ufer finden und die sie dort an Ort und Stelle durch die Lamellen ihrer Schnäbel herausfiltern.

Der Erpel auf dem Foto hat ein ungewöhnlich großes Stück Kleinstlebewesen ergattert. Er gibt aber nicht auf. Michael Rudolph und seine Frau Geli beobachteten ihn bei dem Schauspiel, wie er versuchte, den viel zu großen Fisch schnabelgerecht zu zerkleinern, indem er ihn viele Minuten lang immer wieder auf einen Stein schlug. Solange, bis der Fisch so mürbe geschlagen aufgab und in zarte Fischstäbchen zerfiel, so dass er schließlich Stück für Stück geschluckt werden konnte. Ente gut, alles gut.

Enten wiegen im Verhältnis zu ihren kurzen Flügeln recht viel. Sie starten sehr flach und sehr lange mit kräftigem Flügelschlag, teilweise über das Wasser tapsend, eigentlich übermäßig schwerfällig, fast tölpelig. Anstrengend lange, bis sie eine Startgeschwindigkeit zwischen 40 oder 50 km/h erreicht haben. Sie schaffen aber Flughöhen von bis zu 8000 Metern. Zum Vergleich: Ein Airbus A320neo kommt maximal auf 11900 Meter, Startgeschwindigkeit 280 km/h. Folglich werden Enten durch Flugzeuge bedroht.

Dass die Tarpenbek aus Naturschutzgründen unter der Niendorfer Startbahn des Hamburger Flughafens kanalisiert verlaufen muss, ist jedoch nur ein Gerücht. Vermutlich ein abgestandener Aprilscherz. Andererseits ist die Kraft so einer Ente, wenn sie einmal in ein Düsentriebwerk oder in einen Propeller gerät, nicht zu unterschätzen. Oft ist dann schlagartig Ruhe am Himmel.

Vogelschlag führt regelmäßig zu teuren Reparaturen, was wiederum Aufträge bei Lufthansa Technik beschert. Wie viele Arbeitsplätze die Enten der Tarpenbek zu verantworten haben, kann nur vage geschätzt werden. Allerdings sind die Enten dort – wie viele Groß Borsteler – naturgemäß nicht sehr gut auf die Flugzeuge zu sprechen.

Die Falkland-Dampfschiffente kann nicht fliegen, lebt aber auf großem Fuß.

Einer Entenart ist der Flugverkehr völlig verwehrt: der Dampfschiffente. Die ist vollkommen flugunfähig, weil mit durchschnittlich 2500 Gramm (die Langflügel-Dampfschiffente) bis 6000 Gramm Gewicht (die Magellan-Dampfschiffente) extrem schwer, viel zu schwer zum Abheben. Das mag ein Grund sein, warum die Dampfschiffente in der Tarpenbek noch nicht gesichtet wurde. Vielleicht ist der Riesenvogel aus Südamerika, es gibt ihn dort tatsächlich, einfach nicht hochgekommen. Gott sei Dank, denn womöglich würde er das schmale Flüsschen Tarpenbek verstopfen. Groß Borstel bekäme nasse Füße.

Übrigens existiert der Verein der Donaldisten, ein der fein gezeichneten Strichente verpflichteter Verein, seitdem er 1976 im Hamburger CCH gegründet wurde. Die E-Mail-Adresse der Vorsitzenden ist sinnigerweise praesidente@donald.org. Schreiben sie ihr mal, die freut sich bestimmt. Der Verein widmet sich einer seltenen Entenart, die im Zeitschriftenhandel bald auf die rote Liste kommen soll.

Wie lange gibt es Enten? Wikipedia antwortet: „Entenvögel sind seit dem Oligozän bekannt.“ Gut gesprochen, schnell mal nachschlagen: Also seit exakt 33,9 Millionen Jahren. Ganz so alt werden die meisten Enten nicht. Entenvögel haben eine verhältnismäßig geringe Lebenserwartung. Es liegt zum einen an ihrem guten Geschmack. Und zum anderen an ihrem anstrengenden Lebenswandel (zu viel Fett, anstrengende Libido). Die Lebensdauer einer Ente beträgt normalerweise nur zwei bis drei Jahre, Stockenten können im Einzelfall jedoch bis zu 29 Jahre alt werden. Das hängt wohl nicht nur vom Glück und Liebesleben der Ente ab, sondern auch von mangelhafter Treffsicherheit des Jägers. Die Jagdzeit für Stockenten beginnt am 1. September und endet am 15. Januar. Hätte der Jäger in dieser Zeit ein so sicheres Händchen wie Naturfotograf Michael Rudolph, dann hätten wir heute kein Foto von dieser schönen Ente. Entschuldigung. Von diesem schönen Erpel.

Uwe Schröder

Bilder: Michael Rudolph

GUT ZU WISSEN: Warum Dampfschiffente?
Warum Dampfschiffente
Ihren Namen verdanken Dampfschiffenten der Eigenart, zum schnelleren Vorwärtskommen auf dem Wasser, beispielsweise bei Angriff oder Flucht, die Flügel zur Hilfe zu nehmen. Dazu setzen sie ihre kleinen, schmalen Flügel abwechselnd ein, ähnlich wie ein Kajakfahrer sein Doppelpaddel. Die rasche, schaufelnde Bewegung lässt viel Wasser aufspritzen und erinnert an einen Raddampfer.
aus Grzimeks Tierleben, Band 7 – Vögel