DER HAUS- UND FELDSPERLING

Wer die Tarpenbek auf der Brücke Kellerbleek überquert, hört oft aus den dichten Büschen unterhalb der Baucontainer des Tarpenbeker Ufers das unverwechselbare Tschilpen der Spatzen, genauer der Sperlinge, so vertraut und unverkennbar wie der Ruf des Kuckucks oder der Schrei des Bussards. Und wer sich die Zeit nimmt und einen Moment verweilt, wird vielleicht sogar beobachten, dass Sperlinge dort in Transportlöcher der Baucontainer fliegen – sie haben sich die Hohlräume als Nistplätze gewählt.
„Spatz“ ist der volkstümliche Name allein für den Haussperling. Wir müssen somit unterscheiden wischen dem Haussperling (Passer domesticus) und dem etwas größeren Feldsperling (Passer montanus). Letzterer kommt inzwischen in Groß Borstel weitaus häufiger vor als der Haussperling, über dessen zunehmende „Wohnungsnot“ der Groß Borsteler Bote bereits im April dieses Jahres berichtete. Der Neuntöter e.V. und sein Projekt Siedlungssänger (Spatzenretter Hamburg) hat gemeinsam mit dem Kommunalverein durch das Anbringen von bisher 80 Nistkästen und das Pflanzen von geeigneten heimischen Sträuchern wie Weißdorn, Schlehe oder Heckenkirsche in Groß Borstel dem Haussperling neue Nistmöglichkeiten und bessere Lebensräume angeboten. Auch die Deutsche Wildtier Stiftung setzt sich mit ihrer Kampagne „Rettet den Spatz“ für den Schutz der Haussperlinge ein und gibt gerne Tipps zu praktischen Maßnahmen im heimischen Garten.
Noch gehört der Spatz zu den häufigsten Singvögeln, seit 1970 nehmen jedoch die Bestände in Deutschland und Mitteleuropa ganz erheblich ab – in Großstädten wie München oder Hamburg um etwa die Hälfte! Der Spatz steht darum bundesweit auf der Vorwarnliste der Roten Liste bedrohter Tierarten. Als erste deutsche Großstadt hat Hamburg den Haussperling im Jahr 2018 auf die Stufe der gefährdeten Vogelarten gesetzt. Bei den am Kellerbleek zu beobachtenden Sperlingen handelt es sich um Feldsperlinge. Sie unterscheiden sich vom selteneren Haussperling (Spatz) durch einen schwarzen Fleck auf der weißen Wange und durch ein rotbraunes Schädeldach. Dem Haussperling fehlt dieser schwarze Fleck auf der weißen Wange und das Schädeldach der Männchen ist mausgrau. Anders als beim Haussperling unterscheiden sich männliche und weibliche Feldsperlinge äußerlich nicht. Der Haussperling hat sich schon vor zehntausend Jahren dem Menschen angeschlossen. Dieser soziale Vogel tritt meist in Scharen auf, ist also viel geselliger als der Feldsperling und braucht sogar eine gewisse Anzahl an Artgenossen in seiner Nähe, um zum Brüten angeregt zu werden. Sperlinge (Passeridae, von lat. passer = Sperling) sind eine Familie der Unterordnung Singvögel. Im 18. und 19. Jahrhundert galten sie als Schmarotzer. Es gab damals Landkreise, in denen die Bürger zwanzig Spatzenköpfe als sogenannte Spatzensteuer an den Staat entrichten mussten.
Vor allem Sperber, Turmfalken, Steinmarder und Hauskatzen, aber auch Schleiereulen, Waldohreulen und Rabenkrähen sind eine Gefahr für Sperlinge.

Das Wort „Spatz“ begegnet uns umgangssprachlich in mannigfacher Bedeutung, sowohl als Kosename als auch in Wortverbindungen als Schimpfwort. Meinen ältesten Freund, mit dem zusammen ich eingeschult wurde, riefen seine Eltern liebevoll „Spatzi“. Wenn ich zu jemandem „mein Spatz“ sage, so ist das freundlich gemeint. Ganz anders hingegen ist der Ausruf „Du Dreckspatz!“ zu verstehen, in dem deutliche Kritik an der Reinlichkeit des Angesprochenen enthalten ist. Vielleicht hat diese Bezeichnung ihre Ursache auch in der – zumindest außerhalb der Paarungszeit – unscheinbar grauen und braunen Färbung des Spatzengefieders. Wahrscheinlicherer Ursprung der Bezeichnung „Dreckspatz“ ist jedoch ein typisches Verhalten der Sperlinge, das Sand- oder Staubbaden, auch von anderen Vögeln gerne ausgiebig zelebriert, um lästige Parasiten loszuwerden. Wer also in seinem Garten eine ruhige Ecke mit losem feinen Sand einrichtet, tut damit nicht nur den Sperlingen einen großen Gefallen.
Es liegt auf der Hand, dass der Spatz in der Hand besser ist als die Taube auf dem Dach. Was ein Spatzenhirn ist, bedarf keiner Erläuterung, denn das pfeifen die Spatzen von den Dächern. Vorsicht aber, wenn vom „Schimpfen wie ein Rohrspatz“ die Rede ist. Denn mit dieser seit dem 18. Jahrhundert bekannten Redewendung ist keineswegs der Spatz, sondern die Rohrammer (Emberiza schoeniclus) gemeint, die mit ihrem unscheinbaren dunkelbraun gestreiften Gefieder an einen Sperling erinnert, bevorzugt in Röhricht und Schilf ausdauernd singt und daher im Volksmund Rohrspatz genannt wird. Aber das ist nun wirklich ein neues Thema. Text und Fotos: Michael Rudolph