ESTHER BEJARANO, 1924 – 2021
Am 10 Juli 2021 starb Esther Bejarano nach kurzer schwerer Krankheit im Kreis ihrer Familie. Esther Bejarano überlebte als Mitglied des Mädchenorchesters die KZ-Gefangenschaft in Ausschwitz und Ravensbrück, sie kämpfte Zeit ihres Lebens gegen das Vergessen und gegen den Faschismus, sie war Ehrenvorsitzende des VVN (Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten). Die Groß Borstelerin Esther Bejarano war eine vielfach ausgezeichnete Friedensaktivistin und bekam 2008 das Große Bundesverdienstkreuz. Der Bote druckt zum Gedenken an Esther Bejarano Auszüge aus einem Gespräch mit zwei guten Freunden und Weggefährten von ihr ab.
Bote: Friederike Haufe und Volker Ahmels, schön dass wir uns spontan eine Woche nach der Beerdigung Esther Bejaranos auf dem Jüdischen Friedhof in Ohlsdorf treffen können, um an Esther zu gedenken. Esther Bejarano war eine faszinierende Frau, die nahezu jeden begeisterte, den sie traf. Daher meine Frage: Wie habt ihr sie kennengelernt?
Friederike Haufe: Weil wir im Thema verfemte Musik unterwegs sind und eine Zeitzeugin und Künstlerin wie Esther Bejarano natürlich gut dazu passte. Barbara Nitruch (ehemalige Vorsitzende des SPD-Ortsvereins Groß Borstel und ehemalige Abgeordnete der Hamburgischen Bürgerschaft) fand, wir müssen Esther unbedingt kennenlernen. Das war um die Jahrtausendwende nach dem Tod von Nissim, ihrem Ehemann. Da haben wir uns kennengelernt. Barbara hat uns gezielt zusammengeführt. Sie organisierte die Woche des Gedenkens. Und es kam hinzu, dass unser Sohn Richard anlässlich der Einweihung des Marie-Jonas-Platzes in Eppendorf einen Dokumentarfilm über Esther Bauer gemacht hat (Einfach Esther), über die Tochter von Marie Jonas. Zu diesem Film brauchte er eine Musik. Und Richard ist dann darauf gekommen, einen von Esther Bejaranos größten Hits „Bella Ciao“ zu nehmen, um den Film damit zu untermalen.
Bote: Bedauerlicherweise ist Esther Bejarano nicht Ehrenbürgerin der Stadt Hamburg geworden. Zwar Ehrenbürgerin ihrer Geburtsstadt Saarlouis, nicht aber in Hamburg. Obwohl das von vielen, zum Beispiel vom SPD-Bürgerschaftsabgeordneten Mathias Petersen mehrfach angeregt worden war. Wie erklärt ihr euch das?
Friederike Haufe: Das ist natürlich eine Möglichkeit zu spekulieren, aber was Esther ausgezeichnet hat, diese Offenheit, diese Klarheit ihrer Gedanken und auch ihrer Botschaft, das hat natürlich nicht jedem in der Stadt gefallen … Sie war immer klar. Sie war unprätentiös.
Und worüber wir beide uns gefreut haben, als wir gerade im Urlaub waren, ist dass sowohl Außenminister Heiko Maas als auch unser Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sich über sie sehr wertschätzend geäußert haben. Vielleicht ist es sogar fast noch ein bisschen mehr wert als eine Ehrenbürgerschaft.
Bote: Was besonders beeindruckend an Esther Bejarano war, sie konnte immer frei und klar über ihre schwere Vergangenheit sprechen, was sicher nicht einfach war. Sie hat ihre Familie verloren, Vater, Mutter und Schwester, und viele andere wurden in Konzentrationslagern umgebracht. Und sie als Überlebende konnte trotzdem immer klar und sachlich darüber berichten. Habt Ihr eine Erklärung dafür?
Volker Ahmels: Da möchte ich an eine wunderbare Erinnerung anknüpfen. Es ist uns gelungen, Esther nach Rostock in die Hochschule einzuladen. Sie hatte dort ihr Buch präsentiert. Sie war musikalisch begleitet worden von zwei Studierenden, die gerade bei einem Festival einen Preis erzielen konnten, und die haben sozusagen so ein Programm um sie herumgebastelt. Und Esther hat vorgelesen. Dann haben die Besucher spontan angefangen, alle gemeinsam zu singen. Die waren von ihr begeistert. Die standen bis an den Eingang, so voll war es. Das war faszinierend, wie sie mit Leuten in Kontakt gekommen ist. Sie war ja eine richtige Bühnensau, sage ich jetzt mal im positiven Sinne. Sie hat es geliebt, auf der Bühne zu stehen. Wenn sie gemerkt hat, dass ihre Botschaft ankommt, dann ist sie über sich hinausgewachsen.
Friederike Haufe: Das war ihre Mission oder ihr Kampfgeist. Leute pass bloß auf, dass so etwas niemals wieder passiert. Und ihr jugendlicher Spirit, der kam – glaube ich – bei den Jugendlichen sehr gut an. Gerade Jugendliche stellen sich auch oft die Frage, wie kann es sein, dass man, nachdem man so schlimme Sachen überlebt hat, noch so positiv eingestellt ist? Und das motiviert sie zum Nachfragen.
Volker Ahmels: Esther Bejarano hat auch gesagt, das war einfach ein Riesenglück im Leben, dass sie, als eine Musikerin gesucht wurde, das Akkordeon ergriffen hat, weil sie Klavier spielen konnte. Das Akkordeon hat ihr im Mädchenorchester das Überleben ermöglicht. Man darf nicht unterschätzen, wie viel Kraft zum Überleben ihr auch die Musik gegeben hat.
Musik gibt Kraft, auch Botschaften zu senden. Durch das Wort erreichen wir den Verstand, aber durch die Musik erreichen wir die Herzen. Gerade bei Esther Bejarano war das der Fall, die häufig mit der Rap-Band Microphone Mafia aufgetreten ist. Sie hat darüber ganz andere Bevölkerungsgruppen erreichen können.
Bote: Friederike Haufe, Volker Ahmels, wir danken für das interessante Gespräch.
Text, Foto: Uwe Schröder
Das vollständige Gespräch ist im Podcast „Der Bote im Ohr“ zu hören.