Eine Montessori-Schule für Groß Borstel
Im März überraschte der Architekt und Investor Jens Heitmann Groß Borstel auf der Mitgliederversammlung mit der Nachricht, auf dem Baugelände Petersen Park solle eine Montessori-Schule gebaut werden. Zunächst werde mit der Grundschule, also den Jahrgangsstufen 1 bis 4 begonnen, und später dann – nach etwa zwei Jahren – soll auch, sofern es genehmigt würde, ein Gymnasium dazu kommen.
Verblüffte Stille im Auditorium. Heitmann ist eine echte Überraschung gelungen. Endlich eine weitere Schule in Groß Borstel! Das ist auch dringend nötig in einem enorm gewachsenen Stadtteil mit vielen Kindern. Betrachtet man die schleppende Bedarfsplanung der öffentlichen Schulen (Schulbau Hamburg) und die heute bereits teils fünfzügigen Grundschuljahrgänge, dann weiß man: Es besteht Bedarf nicht nur an weiterführenden Schulen.
Das haben Christa Fröhlich-Dithmer und ihr Mann Volker Dithmer erkannt. Sie betreiben seit 2004 eine Montessori-Schule in Eimsbüttel als gemeinnützige GmbH. Und sie sind beide begeistert vom Montessori-System.
Die Montessori-Schulen gehen zurück auf die von Maria Montessori (1870-1952) entwickelte Reformpädagogik. Maria Montessori studierte im ausgehenden 19. Jahrhundert Medizin – als eine der fünf ersten Frauen in Italien. Ihre Schwerpunkte waren Embryologie und Evolutionstheorie. Als Assistentin ein einer Psychiatrischen Klinik in Rom spezialisierte sie sich auf Kinderheilkunde. Sie erkannte, dass die in der Klinik oft verwahrlosten geistig behinderten Kinder für eine positive Entwicklung eine Schule mit heilpädagogischen Ansätzen brauchten. Und sie entwickelte die Methoden, die später in allen Montessori-Schulen angewendet wurden.
Ein Schlüsselerlebnis war für Maria Montessori die Beobachtung des Lernprozesses einer Dreijährigen, die trotz massiver Ablenkung vollkommen konzentriert mit sogenannten Einsatzzylinderblöcken spielte. Montessori faszinierte die konzentrierte Aufmerksamkeit, mit der die Dreijährige Probleme lösen konnte. Die Grundlage für diese Aufmerksamkeit für einen pädagogisches Ansatz zu nutzen, nicht nur für lernbeeinträchtigte Kinder.
Zurück nach Eimsbüttel. Dort finden wir die Montessori-Schule, genannt „Montessori Kinderhaus und Schule Monaddrei“. Im Innenhof gärtnern Kinder an Gemüsebeeten, laufen Enten, Gänse, Hühner. Es herrscht eine aufmerksame Atmosphäre. Auf mehreren Etagen gibt es großzügige Klassenräume, alle mit typischen Montessori-Lehrmitteln bestückt.
Christa Fröhlich-Dithmer, die Leiterin der Schule, ist Pädagogin. Sie leitete bis zur Gründung der Schule einen heilpädagogischen Kindergarten und überzeugte dann ihren Mann gemeinsam eine Grundschule für alle Kinder zu gründen. Volker Dithmer brachte als gelernter Reedereikaufmann seine kaufmännischen und organisatorischen Fähigkeiten und Erfahrungen ein, und er arbeitete sich nach und nach in die Montessori-Pädagogik ein.
Schnell wurde klar, dass die Räume in der Henriettenstraße dafür zu klein waren. Ein Umzug in die Schäferkampsallee stand an. Den Umbau der Räume begleitete der Groß Borsteler Architekt Jens Heitmann.
„Was ist das Besondere der Montessori-Pädagogik?“, fragen wir Christa Fröhlich-Dithmer. Sie führt uns an eines der Regale im Klassenzimmer, nimmt wahllos ein Lehrmittel heraus, ein Puzzle-Spiel, das zusammengesetzt die Bundesländer von Deutschland zeigt. „Kinder haben einen eigenständigen, natürlichen Erkenntnisdrang. Wir geben ihnen Hilfen und motivieren, um bei den Schülern einen selbstbestimmten Lernprozess zu initiieren.“ – „Können die Kinder selbst entscheiden, was die lernen wollen?“ – „Ja, weitgehend. Wir haben die sogenannte Freiarbeit außer in den Fächern Musik und Sport.“
Der Lernerfolg an der Montessori-Schule ist herausragend gut. Schüler und Eltern sind begeistert. Ein Faktor für die Zufriedenheit sind die hoch motivierten Lehrkräfte. Vielen ausgebildeten Lehrerinnen und Lehrern entspricht der didaktische Ansatz. Die Schüler im Zentrum eines eigenständigen Erkenntnisprozesses – das ist das, was sie an der Uni theoretisch gelernt haben und nun praktisch anwenden können.
Das Problem: Nach einer gewissen Zeit wechseln einige Lehrer in den staatlichen Schuldienst, weil sie verbeamtet werden wollen. Und neues Personal zu bekommen ist auch bei den Montessori-Schulen nicht einfach. Aber: Wer an der Montessori-Schule bleibt, der bleibt aus Überzeugung.
Diese Begeisterung und die Freude vieler Eltern aus Groß Borstel dürften nach der Sitzung des Rise-Stadtteilbeirats am 23. Juni einen herben Dämpfer erlitten haben. Cordula Ernsing, Leiterin des Fachamts Stadt- und Landschaftsplanung im Bezirk Hamburg-Nord, verkündete überraschend: „Die Pläne für eine Schule auf dem Gebiet des Petersen Parks sind ein Vorschlag des Architekten, sie sind aber nicht genehmigungsfähig.“
Was die Hintergründe für diese Entscheidung sind, konnte bis zum Redaktionsschluss nicht geklärt werden. Denn im Bebauungsplan sind genau an der Stelle, an der die Schule entstehen soll, Räume für eine Bildungseinrichtung vorgesehen.
Der Bote bleibt am Ball und wird Sie weiter informieren.
Text+Fotos Uwe Schröder