Vögel in Gross Borstel
Das Blässhuhn
Nach der Stockente ist es der zweithäufigste in Hamburg und Umgebung brütende Wasservogel: Das Blässhuhn (Fulica atra), das auch Blässralle genannt wird, da es zur Familie der Rallen gehört. Die Tiere sind über große Teile Eurasiens und Australasiens verbreitet. Der Bestand in Deutschland wird auf mehr als 100.000 Brutpaare, in Hamburg auf mindestens 900 Brutpaare geschätzt. Unter anderem brüten sie auf dem Eppendorfer Mühlenteich und im Eppendorfer Moor. In Mitteleuropa sind Blässhühner überwiegend Standvögel, ziehen also kaum.
Die Tiere sind 36 bis 42 cm lang und von rundlicher Gestalt. Der Kopf ist recht klein, der Schwanz kurz. Über dem weiß bis leicht rosa gefärbten Schnabel sitzt ein die Stirn bedeckender weißer Hornschild. Dieser Blässe verdankt der Vogel seinen Namen. Seine Iris ist braunrötlich. Die grünlich oder gelblich gefärbten kräftigen Füße weisen lange Zehen mit Schwimmlappen auf – keine Schwimmhäute wie man sie zum Beispiel von Enten kennt.
Die Männchen wiegen mit 900 Gramm etwa 200 Gramm mehr und sind etwas größer als die Weibchen. Ansonsten unterscheiden sich die Geschlechter nicht. Ihr Gefieder ist auf dem Rücken schiefergrau bis schwärzlich, die Körperunterseite ist grau bis graubraun und Hals sowie Kopf zeigen sich schwarz. Die Flügel sind schwärzlich mit einem weißen Saum an Vorder- und Hinterrand, wobei sich letzterer nur beim Flug erkennen lässt. Das Jugendkleid der Vögel ist auf der Ober- und Unterseite graubraun, im Bereich zwischen Oberschnabel und Augen sowie an Kehle, Hals und Brust schmutzig weiß.
Das Blässhuhn ist ein Allesfresser, dessen Nahrung sich stark nach Saison und Habitat richtet. Dabei spielen Pflanzenteile eine große Rolle, aber auch Muscheln, Schnecken, Insekten, Larven und sogar kleine Fische verschmäht der Vogel nicht.
Blässhühner bevorzugen als Brutgebiet stehende oder langsam fließende Gewässer mit einer als Nistplatz geeigneten Ufervegetation. Sie werden bereits im ersten Lebensjahr geschlechtsreif, brüten aber meist erst ab dem dritten Kalenderjahr. Die Paare finden sich zu einer monogamen Saisonehe zusammen, wobei Wiederverpaarungen in den Folgejahren oder auch Zusammenhalt über das Winterhalbjahr hinweg nicht ungewöhnlich sind.
Normal ist eine Jahresbrut, jedoch kommt es häufig auch zu Folgebruten, bei Brutverlusten bis zu viermal. Die Brutreviere werden in Mitteleuropa teils schon im Winter verteidigt, jedoch in der Regel erst Februar/März besetzt. Die Nistplatzwahl erfolgt meist durch das Männchen, das oft an mehreren Stellen Nestfundamente baut, bevor es sich für eines entscheidet. Häufig ist der Nistplatz in der Ufervegetation versteckt, steht aber mitunter auch ganz frei. Dabei kann das Nest auf festem Grund stehen oder schwimmend angelegt sein. Beide Geschlechter bauen es aus, wobei meist das Männchen Nistmaterial heranschafft, das dann vom Weibchen verbaut wird.
Das Gelege besteht aus fünf bis zehn beigen Eiern, die fein rotbraun bis schwarz gepunktet sind. Die Eier werden abwechselnd von beiden Partnern 19 bis 24 Tage lang bebrütet.
Die jungen Blesshühner sind Nestflüchter, können bereits nach kurzer Zeit schwimmen, werden oft aber die ersten Tage noch im Nest gehudert und gefüttert. Sie weisen einen roten Schnabel mit weißer Spitze auf, und ihre Daunen sind am Körper schwarz, an Hals, Kehle und Kopfvorderseite aber zerzaust aussehend rötlich-orange und an Flügeln und Oberrücken gelblich gefärbt. Die auffällige Kopffärbung wirkt auf die Eltern fütterungsauslösend und geht nach einigen Wochen verloren. Vier bis fünf Wochen werden die Jungen von den Eltern geführt und gefüttert, wobei sich ein Teil dem Vater und ein anderer der Mutter anschließt, die sich jeweils nur um ihren Kükenanteil kümmern. Im Alter von acht Wochen sind die Jungen flügge und selbständig.
Blässhühner nehmen Anlauf, wenn sie vom Wasser aus starten. Dann laufen sie „patschend“ und flügelschlagend über das Wasser bis sie abheben. Kommen andere Vögel dem Nistplatz oder den Jungen zu nahe, wird dieses „Patschen“ auch als Drohgebärde eingesetzt, um auch größere Eindringlinge energisch aus dem Brutrevier zu vertreiben.
Zu den natürlichen Feinden des Vogels zählen unter anderem Fuchs, Marder, Falken, Uhu und Möwen. Von den Jungvögeln sterben im ersten Jahr zwischen 75 und 85 Prozent. Trotz dieser hohen Verlustrate gilt das Blässhuhn nicht als gefährdet.
In ihrem Buch „Frida das Bläßhuhn“ erzählt Dagmar Laimgruber-Schimmelpfennig die Geschichte eines jungen Vogels dieser Art, der sich irrtümlich eine Haubentaucher-Familie als Eltern aussucht und bei diesen artfremd aufwächst – was für das Küken überhaupt nicht einfach ist und zu einer Fehlprägung führt. Irren ist eben nicht nur menschlich…
Michael Rudolph