Das Dreidörfereck und der Kollauer Hof (II)
Die Kornmühle „Coldeloghe“ wurde erstmals 1184 zusammen mit Groß Borstel in einer Urkunde des Hamburger und Bremer Erzbischofs Siegfried I. erwähnt, der die Abgaben der „Curia Burstole an der Coldeloghe“ bestimmte. Diese Urkunde wird heute als die älteste Erwähnung eines Hofes auf heutigem Niendorfer Gebiet gezählt. Das Gelände, auf dem die Mühle stand, wurde damals aber offenbar noch zu Groß Borstel gezählt. Vermutlich existierte der Hof auch schon lange vor seiner ersten urkundlichen Erwähnung.
Aus der Curia Burstole wurde im Laufe der Jahrhunderte der Kollauer Freihof, ein von Abgaben befreiter Bauernhof. Im 18. und 19. Jahrhundert wechselte der Hof mehrfach den Besitzer und wurde am 20. September 1786 zum Preis von 16150 Mark vom Hamburger Kaufmann Jakob IV von Axen (1748–1807) ersteigert.
Von Axen stammte aus einer angesehenen Hamburger Kaufmannsfamilie. Sein Vater Jacob III. von Axen führte das größte Handelshaus für Glas, Porzellan und Möbel in Hamburg. Jacob IV. von Axen war eines von elf Geschwisterkindern. Seine jüngere Schwester Engel Christine von Axen (1785-1840), verheiratete Westphalen, wurde eine bekannte Hamburger Dichterin, die auch zwei Theaterstücke schrieb. Ihr Haus in der Hamburger Innenstadt war regelmäßiger Treffpunkt vieler Hamburger Persönlichkeiten und nach der Französischen Revolution auch Zuflucht französischer Flüchtlinge. Jacob IV. von Axen war in der Nachfolge seines Vaters ebenfalls Bürgerkapitän und Chef einer Kompanie der Bürgerwehr im Regiment St. Peter. 1773 hatte er die Schwester seines Schwagers, Katharina Margareta Gensmer (1749-1822), geheiratet. Das Paar bekam einen Sohn, Jacob V., der jedoch schon im Kindesalter starb, und zwei Töchter, Katharina Margarete (1773-1799) und Juliane Maria (1776-1806).
Nach dem Kauf des Kollauhofes ließ von Axen das Grundstück um den Hof herum zu einem Park mit einem malerischen Garten umgestalten und auf dem Gelände sogar Kanäle anlegen, auf denen die Bewohner und Gäste mit Booten umherfahren konnten. Regelmäßig lud von Axen die Hamburger Hautevolee auf sein Parkgrundstück zu Gartenfesten ein.
Der dänische Diplomat, Staatsmann und Dichter Johann Georg Rist wurde 1775 im damals dänischen Niendorf geboren. Als Elfjähriger war er auf dem Kollauer Hof Spielgefährte der von Axen-Töchter. Er trat später in den dänischen Staatsdienst ein und war als Diplomat in St. Petersburg, Madrid und London. Später lebte er als dänischer Gesandte in Altona. Während der Franzosenzeit (1806-1814) war Johann Rist auch Gast auf einem der Gartenfeste am Kollauer Hof und hat die Szenerie in seinen Erinnerungen beschrieben:
„Auf diesem Kollau, das mit schönen Bäumen in einer wasserreichen Gegend lag, war um diese Zeit ein großes Fest, ich weiß nicht mehr, bei welcher Veranlassung. Unter den erleuchteten Baumgängen wandelten die geputzten Menschen. Der Wein floss reichlich und eine rauschende Musik verband alles in einem heitern Element. Ich fühlte mich aufgeregt, die Kriegsmusik wollte, ich weiß nicht was, von mir. In ihrer ersten Frische erscholl da die Marseiler Hymne. Alles stimmte ein, während mich die Töne zugleich abstießen und anzogen. Es war ein wunderlicher Kampf meiner alten Neigung und meiner neu gewonnenen Überzeugung. Ich läugnete (sic!) nicht, daß mich der Jubelgesang der Franzosen verletzte. Ich stand zufällig vor Leonard Wächter, dem wackeren Verfasser der „Sagen der Vorzeit“, derzeit in seiner ganzen exzentrischen Kraft und wild begeistert für die Freiheit.“ (aus den: Lebenserinnerungen von Johann Georg Rist)
Jacob von Axens Witwe verkaufte den Hof im Jahr 1812. Bis 1839 war der Hof als Gastwirtschaft verpachtet. 1840 entstand am Nordufer der Kollau, ungefähr dort, wo einst die Pulvermühle stand, eine Baumwollspinnerei und Färberei. 1886 wurde das Grundstück des Kollauer Hofes in Parzellen aufgeteilt. Der damalige Hofbesitzer Eggers verkaufte die Wiesen an der Kollau an den Unternehmer Hellberg, der hier eine Pappfabrik begründete. In kleinerem Umfang wurde auch Korn gemahlen und ab 1881 ein Elektrizitätswerk betrieben, Dazu wurde das Wasser der aufgestauten Kollau unterirdisch in die Fabrik geleitet, wo es eine Turbine antrieb. 1891 erwarb die Gemeinde Lokstedt das Fabrikgelände und richtete hier seine Betriebswerke ein – ein Wasserwerk, eine Gasanstalt und ein Elektrizitätswerk.
Der Kollauer Hof ging in den Besitz des Bankiers Lenz über, der Mitte der 1920er Jahre auch den Kollauer Mühlenteich zuschütten ließ. Nach dem Tod des Bankiers Lenz, der 1930 infolge eines Autounfalls starb, ging der Kollauer Hof in den Besitz der Handelsgesellschaft Produktion über. Das Herrenhaus wurde zunächst noch vermietet, Ende der 1930er Jahre jedoch abgerissen. Das Grundstück wurde aufgeteilt und die Parzellen verpachtet oder verkauft.
Vom prächtigen Kollauer Hof und seinem Park, der bis zur heutigen Niendorfer Straße in Lokstedt reichte, ist aber doch noch etwas übriggeblieben, wenn auch aus tragischem Anlass. Bei einem Besuch bei ihrer Schwester in Berlin im Sommer 1799 erkrankte Jakob von Axens ältere Tochter Katharina Margaretha an Schwindsucht (Tuberkulose), damals unheilbar, und starb im Alter von nur 26 Jahren. Zum Gedenken an seine Tochter ließ Jacob von Axen im Jahr 1800 am Lieblingsort seiner Tochter im Park des Kollauer Hofes einen fast acht Meter hohen Obelisken aufstellen. Das Denkmal befindet sich am Rande des Heckrosenweges, der durch ein Waldstück hindurch die Kollaustraße mit der Niendorfer Straße verbindet. Man vermutet, dass der Obelisk von dem Berliner Bildhauer Johann Gottfried Schadow gestaltet wurde. Von ihm stammt unter anderem auch die Quadriga auf dem Brandenburger Tor. Auf Augenhöhe ist ein Gürtel angebracht, an dem sich wohl eine Tafel mit einem Gedicht von Christine von Westphalen, Katharina Margaretha von Axens Tante, befand. Die Tafel ist jedoch verschollen.
Der Obelisk wurde 2013 saniert und musste 2016 noch einmal gründlich gereinigt werden, weil er inzwischen wieder vollständig mit Graffitis beschmiert war. Demnächst ist wohl eine weitere Sanierung geplant.
André Schulz