Hoffnung in Bedrängnis
Gerade wollte ich an einem Donnerstag mit dem Auto zum Französisch fahren, nur kurz hatte ich beim Bäcker Halt gemacht, als ein Auto so dicht an mich heranfuhr, dass ich mich nicht bewegen konnte, zumal auch hinter mir alles besetzt war. Also blieb ich stehen und wartete, bis etwas sich ändern würde. Nach etwa 10 Minuten wollte ich losfahren, da es hinter mir frei wurde, als es an mein Fenster klopfte. Ich machte kurz auf, ein Mann sagte: „Wir müssen reden …“
Ich unterbrach ihn: „Nein, jetzt muss ich endlich los!“ Ich fuhr fort. Er ist jedoch gleich zur nächsten Polizeistation gefahren und hat mich und meine Versicherung wegen Fahrerflucht angezeigt.
Zuerst konnten sie mich nicht finden, denn der Mann hatte angegeben, dass es sich um eine 50- oder 60-jährige Frau handeln würde.
Als ich das erste Schreiben bekam, rief ich meinen Sohn um Hilfe an. Er ist Rechtsanwalt in Dresden und hat mir schon viel geholfen, besonders bei juristischen Dingen.
Nach einer Weile stellten sie fest, dass ich schon 93 Jahre alt war und meinten, ich sei nicht mehr selbst gefahren, dann kann es ja nur ihre Tochter gewesen sein.
Der Kläger nahm sich auch einen Anwalt, und so wurde die Akte immer dicker.
Da ich natürlich am Steuer gesessen hatte, als er mich ansprach und davor schon Fotos gemacht hatte, übrigens eine unverständliche Handlung, die schon auf eine Täuschung hinwies.
Ich musste nun mit dem Damoklesschwert leben, auf Fahrerflucht verklagt worden zu sein, obwohl ich mich gar nicht bewegt hatte. Ich fuhr immer mit der Hoffnung, dass mir nichts passieren würde, denn ohne Führerschein kann ich mich nicht allein versorgen, ich muss einkaufen, die nötigsten Dinge erledigen, da ich allein in einem Haus lebe. Ich betete viel. Die Hoffnung schwebte über mir.
Sie suchten nun meine Tochter, zuerst in Preetz. Die Heiratsurkunde, dann in Kiel die Geburtsurkunde. Schließlich schafften sie es, sie in Wolfsburg ihrem Wohnsitz aufzuspüren, und es gab ein Foto. Die Behörden hatten genug zu tun. Als sich das als falsch erwiesen hatte, wurde noch eine dunkelhaarige Frau, die angeblich meine Putzfrau sei, aufgeführt. Das erübrigte sich schnell wegen totaler Unähnlichkeit.
So gingen die Monate dahin. Nun lief die Sache schon ein Jahr, bis von der Staatsanwaltschaft ein Schreiben kam: „Das Ermittlungsverfahren wird mit Zustimmung des Gerichts eingestellt, weil die Schuld als gering anzusehen ist und kein öffentliches Interesse an der Verfolgung besteht.“
Aufatmen, danken und hoffen, dass der Kläger aufgeben würde.
Aber nein, schon einen Monat später kommt vom Amtsgericht Hamburg die Nachricht, dass die Sache weitergeht und der Kläger nochmals versucht, sein Geld zu bekommen. Wieder Schriftsätze und unwahre Angaben. Mein Sohn hatte genug zu tun. Jedenfalls war die schlimme Bedrängnis der Fahrerflucht von mir genommen worden.
Im Oktober kam vom Gericht der Beschluss, ein Sachverständigengutachten einzuholen. Die Monate gehen dahin.
Dann hatte ich hier im März 2024 einen Wasserrohrbruch, sodass ich mein Auto nicht auf der Auffahrt parken konnte. Es musste draußen stehen.
Dann stellten die Bauarbeiter fest, dass in der Parkbucht gegenüber meines Hauses bei meinem Auto alle vier Reifen zerstochen worden waren.
Der ADAC brachte das Auto zu meiner Werkstatt, die ich bat, es so lange zu behalten, bis meine Auffahrt wieder ganz in Ordnung sei. So wurde es.
Nun hatte der Kläger, denn wer sollte es sonst gewesen sein, mit Erfolg seine Wut ausgelassen. Die Hoffnung stieg, dass alles bald ein Ende nehmen würde.
Das Gutachten über den Schaden an meinem Auto wurde am 24. März 2024 erstellt und bestätigt die Sachverhaltsschilderung der Beklagten. Nun warteten wir auf das Gutachten zum anderen Fahrzeug. Wir hörten nichts. Schließlich nahm mein Sohn Kontakt zu dem Gutachter auf, der ihm erklärte, dass, als er das Auto ansehen wollte, es bereits verkauft war. Hoffnung kam auf, die Bedrängnis wurde weniger, die Hoffnung hatte mir geholfen, durchzuhalten.
Zum 11. Juni sollte es dann einen Gerichtstermin geben, da flatterte am 24. Mai 2024 der Satz ins Haus: „Die Klage wird zurückgenommen.“
„Hoffnung ist die Verbindung zum Glauben, die Welt nicht verloren zu geben.“ Bischöfin Kirsten Fehrs
Text: Antje Thietz-Bartram