Kunst, was ist das?

Eine Frage an die Malerin Ute Zander

Von Uwe Schröder

Zugegeben eine große Frage, die mich umtreibt, als ich mit dem Fahrrad zum Nedderfeld fahre, um Ute Zander in ihrem Atelier zu besuchen. Diese Frage stellte bereits in den 1970er-Jahren Werner Hofmann, frischgebackener Direktor der Hamburger Kunsthalle, der unter dem Titel „Kunst, was ist das?“ – sozusagen als Einstand für seine Arbeit in Hamburg – eine international viel beachtete Ausstellung kuratierte. Eine Frage, auf der es viele Antworten geben wird, denke ich. Und ich bin gespannt auf die Antwort von Ute Zander.

Sie öffnet die Tür ihres lichtdurchfluteten Studios. Die Sonne scheint an diesem herbstlichen Tag auf großformatige Arbeiten. Staffeleien, riesige Tische, auf Keilrahmen gespannte Leinwände unterschiedlicher Größe, Schränke voller Pinsel und Farben bestimmen das Bild. In diesem beeindruckenden Räumen arbeitet Ute Zander. Die meisten Arbeiten, die an den Wänden gelehnt oder aufgehängt zu sehen sind, stammen von ihr. An einigen Bildern arbeiten Teilnehmer bzw. Teilnehmerinnen ihrer Malkurse – zumeist sind es Frauen.

Ich unterhalte mich mit ihr an einem der farbbeklecksten Arbeitstische. Ute berichtet, wie sich das Künstlerleben für sie darstellt, was sie alles unternehmen muss, aber auch gerne und mit Leidenschaft unternimmt, um von der Kunst leben zu können – seit fast 30 Jahren. Sie hat in dieser Zeit ein reichhaltiges Wissen über Malerei und Maltechniken gesammelt, das sie unter anderem gerne in Malkursen weitergibt. Was wiederum eine ihrer Einkommensquellen ist.

Wir kommen zunächst gar nicht auf die Bilder zu sprechen. Ute Zander bietet eine Vielzahl an Malkursen an. Zum Beispiel: Basics – Mischen, Farbperspektive, Komposition. Hier lernen die Teilnehmer, wie ein natürliches Grün, ein tiefes, warmes Rot oder ein frisches Türkis gemischt werden. Warum treten einige Farben in den Vordergrund, andere hingegen in den Hintergrund?

Ein anderer Kurs beschäftigt sich mit dem Malen von Figuren, ein weiterer mit Schlagmetall und Bronzen, Transfergold und Pigmenten. Einige Kurse finden wöchentlich statt, andere gibt es an Einzelterminen. Und dann auch noch Malreisen? Wie ist das alles zu schaffen?

Man merkt es Ute Zander an: Für sie ist die Malerei eine Berufung, eher Freude als Arbeit. Sie strahlt eine innere Ruhe aus. Sie freut sich auf die regelmäßigen Malreisen, die sie mehrfach im Jahr veranstaltet. Zu einigen KursteilnehmerInnen hat sie inzwischen ein freundschaftliches Verhältnis. Auf Sylt hat sie in prominenter Lage direkt am Strand einen großen Arbeitsraum von einem befreundeten Gastronomen gemietet, mit Sicht auf das Spiel von Licht und Wind und Wellen der Nordsee – ideale Motive für die Kursteilnehmer der Malreise.

Im nächsten Jahr betreibt Ute Zander ihre „Kunstschule“ seit 25 Jahren. An die 300 Teilnehmer hat sie momentan, die ihre Kurse zum Teil regelmäßig buchen. Während der Corona-Pandemie brachte sie eine lehrreiche Reihe an Podcasts über Maltechniken heraus, die man kostenlos auf ihrer Webseite (ute-zander.de) anhören kann. Erwerben kann man auch eine Reihe von Ute Zanders Buchveröffentlichungen. Will sagen: Kunst kann auch erfolgreich betrieben werden. Oder anders: Das breite Angebot an Kursen, Reisen, Büchern und der Betrieb der Galerie (galerie-ute-zander.de) in ihren Räumen ist die ökonomische Grundlage für die eigentliche Kunst von Ute Zander.

Die Bilder im Atelier sind eher großformatig und abstrakt. Wenn, dann erkennt man auf ihnen nur Schemenhaftes. Tatsächlich ist Ute Zander nicht auf eine Stilrichtung festgelegt. Sie malt ebenso gern Gegenständliches, etwa Landschaften, Figuren, Porträts, oder sie arbeitet mit Collagen. Über letztere sagt sie: „Die Technik der Collage ist eines meiner liebsten Ausdrucksmittel in der Malerei. Manchmal hat eine Collage einen nostalgischen Wert, z. B. wenn ich Papiere darin verarbeite, die eine besondere Bedeutung für mich haben. Ein Brief, ein Flugticket, eine Eintrittskarte oder ein Teil eines Stadtplans können die Grundlage für meine Collage sein.“

Kunst kann doch auch provokant sein, entlarvend oder politisch, ein Spiegelbild gesellschaftlicher Verhältnisse? Das jedoch entspricht nicht der Arbeit von Ute Zander. Sie geht positiv in den Tag. Steht früh auf. Beginnt mit einer Stunde Meditation. Sie nimmt sich Zeit für ihre Arbeit, Zeit für Empfindungen. Zeit für sich. Die Bilder kommen aus ihrem Inneren. In letzter Zeit malt sie viel mit metallisch wirkenden Farben, die sie an Materialien des Schlossereibetriebs ihres Vaters erinnert: Kupfer, Grünspan, Rost, glühendes Metall.

Gegen Ende des Gesprächs frage ich: Was ist Kunst? Ihre Antwort überrascht mich nicht, nachdem ich ihre Arbeit gesehen habe. Kunst sei Empfindung. Nämlich Gesehenes mit Fantasie zu verfremden oder noch nicht Gesehenes darzustellen. Dazu bräuchte es Wahrnehmung. Handwerk natürlich auch, aber insbesondere das Zulassen von Empfindungen. Und ein Loslassen von den Überangeboten, von den äußerlich auf uns einströmenden Eindrücken unserer Zeit.

Ute Zanders Atelier finden Sie im Nedderfeld 17 A, im ersten Stock. Kontakt: Tel. 0173 130 48 61 oder info@ute-zander.de. Und übrigens: Ute Zander sucht eine Wohnung in Groß Borstel.