Das Geld hängt (wirklich !) an den Bäumen“ – eine Zwischenbilanz

pfel3 Im September-„Boten“ hatten wir über das Projekt unseres Borsteler Mitbürgers Jan Schierhorn berichtet, mit der Verwertung ungenutzter Früchte von Obstbäumen Arbeitsplätze für behinderte Menschen zu schaffen, die in den Winterhuder Werkstätten betreut werden. Dem Heft lag ein Flyer bei, in dem das Vorhaben erläutert und Apfelbaumbesitzer gebeten wurden, Äpfel direkt vom Baum zu spenden und damit Menschen mit Behinderungen eine Perspektive zu geben. Die erste Phase des Projekts, von allen Beteiligten als Testlauf mit Spannung begleitet, ist jetzt beendet und damit Gelegenheit, eine Bilanz zu ziehen. Um das wichtigste Ergebnis vorwegzunehmen: in der Erntezeit hat das Garten-Team der Winterhuder Werkstätten, bestehend aus 5 – 6 Menschen mit Behinderungen unter Anleitung von Gärtnermeister Jan Maack, an zwei Tagen der Woche Äpfel gepflückt und verarbeitet und ist mit dem Verkaufserlös voll finanziert worden.

Der Testlauf erwies sich als sehr arbeitsintensiv: nicht nur mussten die Erntehelfer geschult werden, das Team benötigte auch längere Leitern für hochstämmige Bäume, Planen, Kisten und anderes Gartenequipment sowie Transportfahrzeuge; nach dem Vermosten mussten Flaschen und Verschlüsse getestet und Etiketten entworfen und gedruckt werden. Als schwierig erwies sich auch die Koordination der Pflücktouren, weil Grundstücke mit Apfelbäumen oft weit auseinander lagen und nicht immer leicht anzufahren waren. Jan Maack musste vielfach zunächst eine Ortsbesichtigung vornehmen, hat allerdings inzwischen gelernt, bei telefonischem Kontakt mit Apfelspendern die richtigen Fragen zu stellen, so dass eine Besichtigung vor dem Pflücken in der Regel nicht mehr erforderlich ist.

Das Projekt litt anfangs unter einem recht geringen Angebot aus Groß Borstel, so dass die Pflücker auf Streuobstwiesen in Wilhelmsburg zurückgreifen mussten. Das publizistische Echo der Aktion in Zeitungen, Rundfunk und Fernsehen und zusätzlich sicherlich auch die Gespräche in der Nachbarschaft führten dann jedoch zu einem deutlichen Anstieg der Angebote – eines kam sogar aus Kiel. Auch andere Werkstätten für Behinderte zeigten Interesse an einer Übernahme des Projekts. Ein erfreulicher Nebeneffekt: dank der solide ausgeführten Pflückarbeiten erhielt das Team der Winterhuder Werkstätten eine Reihe von Folgeaufträgen für Gartenpflege.

Trotz einiger Phasen von Frustration in diesem Testlauf, wie sie die Umsetzung am Schreibtisch entwickelter Ideen in die Realität eigentlich immer mit sich bringt, ist Jan Schierhorn mit dem bisherigen Verlauf des Projekts vollauf zufrieden und betont besonders seine Freude am Umgang mit den behinderten Menschen. Etwa 6500 Flaschen Apfelsaft sind bisher produziert worden, davon geschätzte 30 % mit Äpfeln aus Groß Borstel. Abnehmer waren bis jetzt nur größere Firmen und damit ergibt sich ein nächster Schritt, den er in Angriff nehmen möchte: der Absatz kleinerer Mengen, z.B. ein Flaschenverkauf in Groß Borstel selbst. Jan Schierhorn plant einen weiteren Testlauf mit einer ‚Groß Borsteler Melange’ im Fahrradgeschäft ‚Die Kette’ der Winterhuder Werkstätten, auch stellt er erste Überlegungen an zur Entwicklung eines kleinen Mehrwegflaschensystems.  Es gibt bereits weitere Ideen für die Fortführung und Ausweitung des Projekts bis hin zur Gründung eines eigenen Integrationsbetriebes – doch nennt Jan Schierhorn sich selbst einen Verfechter organischer Wachstumsprozesse: große Sprünge will er nicht machen, sondern Schritt für Schritt vorgehen.

Auf dem Anhänger der formschönen Saftflaschen steht als werbendes Motto: „Schmeckt immer und immer anders!“ Das ist angesichts der vielen verarbeiteten Apfelsorten auch gar nicht anders möglich, macht aber auch den Reiz dieses Vorhabens aus – es ist eben im Vergleich zu kommerziellen Anbietern ein anderes Projekt, dem man  weiterhin nur viel Erfolg wünschen kann.                 Wolf Wieters