An die Schiene, fertig, los!

Seit gut 58 Jahren hat Groß Borstel mit der Stilllegung der Straßenbahnlinie 18 keinen schienengebundenen ÖPNV-Anschluss mehr. Stattdessen erschließen heute insgesamt sechs verschiedene Buslinien unseren Stadtteil, mal mehr und mal weniger zuverlässig und gut getaktet. Die Vorteile der Schiene gegenüber dem Straßenverkehr sind dabei offensichtlich. Im Personenverkehr ist der Flächenbedarf des Schienenverkehrs bei gleicher Verkehrsleistung gegenüber dem Straßenverkehr um mehr als die Hälfe geringer (1). Bahnen sparen grundsätzlich Platz und vermeiden Stau. Die Verlässlichkeit und Sicherheit einer eigenen Infrastruktur ist ebenfalls ein wichtiger Faktor für die Schiene.

Aber wieso diese Vorrede und was hat das überhaupt mit Groß Borstel zu tun? Nun, mit der südlichen Begrenzung des Stadtteils nach Eppendorf haben wir in Form der nördlichen Güterumgehungsbahn (GUB) eine Schienentrasse, die von Eidelstedt kommend viele Stadtteile passiert und schließlich in Rothenburgsort weiter gen Süden verläuft. Die bislang eingleisige Strecke wird, wie der Name schon verrät, genutzt, um den Güterverkehr unter Umgehung der Verbindungsbahn und der Knotenpunkte in Altona und am Hauptbahnhof von Norden nach Süden durch die Stadt zu leiten.

Die Routenführung ist aus vielerlei Gründen für Verkehrsplanende spannend, da sie insbesondere eine weitere Querverbindung zu den sonst eher sternförmig angelegten Linien der U- und S-Bahnen darstellt und somit potenziell Reisezeiten bei Routen von Ost nach West verringern würde.

In den vergangenen Jahren wurde daher in einer Machbarkeitsstudie untersucht, inwiefern die GUB für den Schienenpersonennahverkehr (SPNV) genutzt werden kann (2). Hintergrund der Untersuchung war damals, dass der Güterverkehr aus/nach Skandinavien künftig mit der Fehmarnbelt-Querung nicht mehr komplett um Hamburg herumgeleitet werden muss und dadurch Kapazitäten für die GUB frei werden. Damals wurden im Wesentlichen zwei Varianten als machbar eingestuft. Zum einen eine Verbindung über bestehende Strecken von Harburg kommend und dann auf Höhe Rothenburgsort auf die GUB einfädelnd über Wandsbek, Barmbek, City Nord und Lokstedt nach Eidelstedt bis in Richtung Diebsteich. Zum anderen eine Ringstrecke, die neben der GUB auch den City-Tunnel nutzen würde. Beide Varianten würden einen zweigleisigen Ausbau vorsehen, um das Netz stabil betreiben zu können.

Gegen Spätsommer 2023 wurde dann darauf aufbauend bekannt (3), dass sowohl die Deutsche Bahn (DB) als auch die Behörde für Verkehr und Mobilitätswende (BVM) die Aktivierung der GUB für den Personennahverkehr prüfen. Die Option einer sog. Nordtangente von West nach Ost scheint die BVM hierbei besonders zu interessieren, da diese die Menschen im gesamten Bezirk Nord, in großen Teilen von Wandsbek sowie im westlichen Speckgürtel von Hamburg besser an die Schiene anschließen würde. Hierbei wird nach Medienberichten wohl eine Regionalzug- und eine S-Bahn-Variante geprüft und gegeneinander abgewogen. Die Ergebnisse des Gutachtens sollten seit einiger Zeit veröffentlicht werden, sie verzögern sich aber leider bislang.

Zwischenüberschrift

Lasst uns die Mobilität unseres Stadtteils einen großen Schritt nach vorne bringen

Was würde hierdurch für uns in Groß Borstel besser werden? Wir haben zwar sechs Buslinien, aber einige Quartiere, allen voran das Tarpenbeker Ufer, sind bislang miserabel an den ÖPNV angebunden. Genau an diesem Quartier liegt jedoch die GUB und es wäre ein großer Gewinn für alle Anwohnenden, wenn wir hier direkt eine Haltestelle für eine künftige S-Bahn bekämen. So könnte eine Haltestelle „Nedderfeld“ einerseits das Quartier besser erschließen (vgl. Protokoll der Sitzung des Kommunalvereins vom 10.01.2024) und zeitgleich einen Durchgang in Richtung des Nedderfeld ermöglichen. Nicht nur für Groß Borstel, auch für das benachbarte Nedderfeld wäre es ein großer Mehrwert, da hierdurch viele Menschen zu ihren Arbeitsplätzen bzw. zum Einkaufen gelangen könnten. Ein solches Vorhaben stellt eine Chance dar, nicht erst in mehreren Jahrzehnten Resultate zu erreichen, sondern durch die Erweiterung der bestehenden Infrastruktur verhältnismäßig schnell die Strecke zu ertüchtigen und nutzen zu können. Auch für die gesamte Stadt und den HVV sollte diese Strecke hoch attraktiv sein, da man auf diesem Wege viel Last von den bisherigen großen Knotenpunkten und insbesondere hierbei dem Hauptbahnhof lenken könnte. Zudem sollte man weitere Großprojekte mit in die Planung einbeziehen. Namentlich geht es dabei zum Beispiel um den neuen Fernbahnhof Diebsteich, der durch eine direkte Anbindung an die GUB die althergebrachten S-Bahn-Verbindungen entlasten würde.

Wieso nun also dieser Text? Lasst uns gemeinsam der Politik, der BVM und der DB sagen, dass wir in Groß Borstel Interesse an einem Schienenanschluss haben, die vielen Vorteile einer S-Bahn gegenüber einer alternativen Regionalbahnverbindung sehen und lasst uns vor allem auch kundtun, dass wir als Anwohnerinnen und Anwohner Anteil an der weiteren Planung nehmen möchten.

Text: Eike Kleinfeld

Quellen:

(1) vdv.de: „10 Gründe für mehr Schienenverkehr“, 2020

(2) Dialogforum Schiene Hamburg-Altona: „Die Güterumgehungsbahn (nördlicher Teil)“

(3) t-online.de: „Bahn prüft neue S-Bahn-Strecke: Rollen Züge hier durch?“