DAS VERSCHWUNDENE STADION NORD

Das Haus der Schreberjugend wurde 1925 eingeweiht, das Stadion Nord lag jedoch am anderen Ende Groß Borstels.

HÄUSER, DIE GESCHICHTEN ERZÄHLEN

Wenn man vom Ring 2 nach Groß Borstel einfährt, sieht man an der rechten Seite das alte Trafohäuschen der ehemaligen Straßenbahn, die hier an der Borsteler Chaussee entlang fuhr. Zuletzt wurde das Häuschen als Jugendtreff genutzt, als „Gruppenhaus der Deutschen Schreberjugend Stadion Nord“, wie auf einem Schild steht. Am anderen Ende der Borsteler Chaussee, kurz vor dem Flughafen, existiert zudem der „Kleingartenverein Stadion“. Es gibt Sportplätze in Groß Borstel, aber ein richtiges Stadion findet man heute nicht mehr. Doch das hat es einmal gegeben. Es war einige Zeit das Stadion des Hamburger Polizeivereins.

Am 28. Mai 1920 wurde die Sportabteilung der Sicherheitspolizei Hamburg gegründet, noch im Gründungsjahr in „Sportvereinigung der Ordungspolizei“, dann in „Sportvereinigung Polizei Hamburg von 1920“ umbenannt. Die Polizeisportvereine waren zu Beginn des 20. Jahrhunderts recht populär, da der Sport als eine körperliche Ertüchtigung betrachtet wurde, die den Aufgaben im Polizeidienst zugute kam. Zudem dienten die Sporterfolge der Polizeisportler auch der Verbesserung des Ansehens der Polizei. Die Polizeisportvereine wurden finanziell gefördert, besaßen gepflegte Sportanlagen und waren deshalb sehr beliebt. Nicht nur Polizisten durften dort eintreten.

Ende Borsteler Chaussee / Reitzeweg: Ungefähr hier hat das Stadion Nord gelegen

Das Stadion Nord befand sich am Ende der Borsteler Chaussee ungefähr dort, wo heute die Anlage des Lufthansa Sportvereins zu finden ist. In nördlicher Richtung schloss sich daran noch der Schießstand an, der Anfang des 20. Jahrhunderts vom Eppendorfer Moor hierher verlegt worden war und bis auf das Gelände des heutigen Flugplatzes reichte. In südlicher Richtung befand sich noch ein weiterer kleinerer Sportplatz, gegenüber vom Seniorenheim. Die Lage der Sportplätze geht aus alten Stadtplänen aus den 1920er Jahren hervor.

Mit dem Bau des Stadions Nord wurde 1922 begonnen. Für die Arbeiten, die fast drei Jahre lang dauerten, wurden auch Häftlinge der Strafanstalt Fuhlsbüttel herangezogen.

Einweihung 1925

Die feierliche Einweihung fand am 5. Juli 1925 statt. Nach der Fertigstellung bot das Stadion immerhin 7000 Zuschauern Platz und galt als eine der schönsten Sportanlagen in Hamburg. An der Eröffnung nahmen Sportler aller Disziplinen des Polizeisportvereins teil: Leichtathleten, Ringer, Turner, Boxer, die Faustball-Mannschaft, Radfahrer und Schwimmer. Im Fußballeröffnungsspiel schlug die Polizeimannschaft den Nordmeister HSV mit 1:0. Die Fußballmannschaft, später auch die Feldhandballer, waren bald die Aushängeschilder des Hamburger Polizeisportvereins.

Die Fußballabteilung stieg nach der Gründung des Polizeisportvereins mit ihrer Mannschaft schnell bis in die höchste Hamburger Liga auf, damals die Elbekreisklasse, und etablierte sich bald als eine der stärksten Hamburger Mannschaften. In der Saison 1929/1930 belegte das Team der Polizei-Sportvereinigung Hamburg in der Groß-Hamburger Liga sogar den zweiten Platz hinter dem Hamburger SV. Mit der Machtübernahme der NSDAP wurde der Ligabetrieb 1933 neu organisiert.

Zigarettenbilder, der Panini-Vorläufer
KARTEN Kartenausschnitte aus den Jahren 1922 bis 1974 – rot gekennzeichnet: die ungefähre Lage des Stadions

Auch in der neuen „Gauliga Nordmark“ war die Sportvereinigung der Hamburger Polizei wieder vertreten und belegte 1933/34 bei zehn Mannschaften einen Mittelplatz. Hamburger Meister wurde in dieser Saison der Eimsbütteler TV. Im Feldhandball gehörte die Mannschaft der Sportvereinigung Polizei Hamburg sogar zu den besten Teams in ganz Deutschland. 1924/25 kam die Mannschaft bis ins Finale der Deutschen Meisterschaft, unterlag in Berlin aber dem dortigen Polizeisportverein mit 4:6. Die Hamburger Polizeisportler Hans Theilig und Hermann Hansen gehörten sogar der deutschen Nationalmannschaft an, die 1936 bei den Olympischen Spielen in Berlin die Goldmedaille gewann. Es war aber das einzige Mal, dass Feldhandball olympisch gespielt wurde.

Pimpf-Parade, Körperkult, Adler noch ohne Hakenkreuz

Im Krieg holte die SV Polizei unter dem Namen „Sportgemeinschaft der Ordnungspolizei“ noch zwei Meistertitel im Feldhandball. Nach dem Krieg folgten in den 1950er Jahren noch vier weitere Meistertitel. Ende der 1960er löste der Hallenhandball den Feldhandball in der Beliebtheit bei Sportlern und Zuschauern ab. Feldhandball wird heute kaum noch gespielt.

Solche Anzeigen würden wir auch 1933 nicht im Boten geschaltet haben.

1934 wurde die Polizei in Hamburg organisatorisch in eine Landespolizei und eine Schutzpolizei aufgeteilt. Für die Landespolizei wurde vorübergehend der Militärsportverein (MSV) Hansa Hamburg gegründet.

Die Sportvereinigung Polizei Hamburg hieß ab 1935 SV Polizei Hamburg. 1936 kehrte der MSV Hansa Hamburg organisatorisch wieder in den SV Polizei Hamburg zurück.

Das Groß Borsteler Stadion Nord wurde 1933 dem Zeitgeist und den Machtverhältnissen folgend umbenannt. Am Himmelfahrtssportfest am 26. Mai 1933 erhielt es den neuen Namen „Adolf-Hitler-Kampfbahn“. Wie lange die Mannschaften der Polizei in der Groß Borsteler Kampfbahn noch ihre Heimspiele austrugen, ist nicht eindeutig geklärt. Werner Skrentny glaubt in seinem Buch „Es war einmal ein Stadion. Verschwundene Kultstätten des Fußballs“ (Göttingen: Verlag Die Werkstatt 2015, S. 56 und 57), dass der SV Polizei Hamburg das Stadion 1934/35 „zugunsten einer Kleingartenanlage“ hat aufgeben müssen. Es ist jedoch wenig wahrscheinlich, dass der Polizei ein kaum zehn Jahre altes Stadion, soeben noch in Adolf-Hitler-Kampfbahn umbenannt, aus diesem Grund stillgelegt wurde.

Einigen Quellen zufolge trug die Polizei-Fußballmannschaft aber ab 1939 ihre Heimspiele in der Kampfbahn Sternschanze aus. Mit der Saison 1942/43 musste die Polizei ihre Fußballmannschaft ganz aus dem Ligabetrieb zurückziehen, weil nun auch die Polizisten an die Front beordert wurden.

Nach dem Krieg war das Stadion irgendwann verschwunden. In der Festschrift zum 50-jährigen Bestehens des SV Polizei heißt es lapidar: „Die große vereinseigene Anlage in Groß Borstel ging durch den Krieg und die Nachkriegswirren verloren.“ Als der Lufthansa Sportverein (LSV) das Gelände Ende der 1970er Jahre übernahm, war da schon kein Stadion mehr.

Hans-Dieter Hansmann, langjähriger Vorsitzender des LSV, berichtet: „Am Tage der Übernahme sollen dort noch Nissenhütten gestanden haben. Im Bereich des heutigen Parkplatzes waren die Reste eines Flakbunkers. Das Wegräumen dieser Reste und der Fundamente der Nissenhütten haben uns viel Geld gekostet. Heute noch finden wir Trümmerreste.“

Die Nissenhütten waren nach dem kanadischen Ingenieur und Offizier Peter Norman Nissen benannte Wellblechhütten, in der nach dem Krieg nicht nur in Hamburg in großer Zahl Flüchtlinge und Ausgebombte untergebracht waren. In Groß Borstel waren an mehreren Stellen im Ort noch lange solche Hütten im Gebrauch. Einige Zeit fand sogar der Schulunterricht in Groß Borstel in Nissenhütten statt.

Unter welchen Umständen ist aber das Stadion Nord in Groß Borstel verschwunden?

Ein Blick auf alte Stadtpläne zeigt, dass der Schießplatz 1952 verschwunden war, vom Stadion war nur noch ein kleinerer Sportplatz übrig. In einem älteren Stadtplan, der mit „ca. 1949“ datiert ist, waren Stadion und Schießplatz noch eingezeichnet. Sehr wahrscheinlich wurde das Stadion 1948 abgebaut.

Am 24. Juni 1948 verhängte die Sowjetunion im Streit um den Viermächtestatus eine Blockade über die Stadt Berlin. Die Westalliierten, Amerikaner und Engländer, beschlossen die Versorgung der Westberliner Bevölkerung aus der Luft. Die Engländer forcierten aus diesem Grund den ohnehin geplanten Ausbau des Flughafens, bis dahin kaum mehr als ein Flugfeld. 1400 Arbeiter arbeiteten nun in drei Schichten. Die neuen Start- und Landebahnen konnten so einige Monate früher in Betrieb genommen werden und mit Beginn des Jahres 1949 flogen auch vom Hamburger Flughafen, dem einzigen beteiligten zivilen Flughafen der Luftbrücke, Rosinenbomber im Minutentakt nach Berlin.

Im Mai 1949 beendeten die Sowjets die Blockade. Bis dahin waren vom Hamburg Airport aus 13 500 Flüge (von insgesamt 227 464 Flügen) nach Berlin gestartet.

Es ist ein denkbares Szenario, dass die Briten im ersten Ausbau des Flughafens 1948 das nicht mehr genutzte alte Stadion Nord, zumindest die Tribünen, wegräumten. Vom Stadion blieb der reine Sportplatz noch einige Jahre stehen und ist in Karten von 1957 noch eingezeichnet. 1965 ist auch dieser verschwunden. An die Stelle des Stadions waren neue Parzellen des Kleingartenvereins 437 „Stadion“ getreten.
André Schulz

BU’s

02 Das Haus der Schreberjugend wurde 1925 eingeweiht, das Stadion Nord lag jedoch am anderen Ende Groß Borstels.
03 Ende Borsteler Chaussee / Reitzeweg: Ungefähr hier hat das Stadion Nord gelegen
04 Einweihung 1925
05 Zigarettenbilder, der Panini-Vorläufer

KARTEN Kartenausschnitte aus den Jahren 1922 bis 1974 – rot gekennzeichnet: die ungefähre Lage des Stadions
05 Zigarettenbilder, der Panini-Vorläufer

06 Pimpf-Parade, Körperkult, Adler noch ohne Hakenkreuz
07 Solche Anzeigen würden wir auch 1933 nicht im Boten geschaltet haben.
08 bis 10 keine BU
11 Vereinsheim im Haldenstieg