Der Flaschenhals. Hamburger Flughafen soll wachsen?
Die Eckwerte des Skandals lauten: Die Anzahl der parallel nutzbaren Flugsteige (Gates) am innerstädtisch gelegenen Hamburger Verkehrsflughafen „Helmut Schmidt“ soll nach den Vorstellungen der Flughafen Hamburg GmbH (FHG) von derzeit 34 auf zukünftig 56 steigen. Für den sogenannten Flughafen-Entwicklungsplan (bestehend aus einem umfassenden Vorbau an den Terminals 1 und 2, der neu zu errichtenden Abfertigungs-Pier Süd sowie einem Satelliten-Terminal auf dem Vorfeld) will der Flughafenbetreiber insgesamt 500 Mio. Euro investieren. Das Geld soll von den Fluggesellschaften kommen, bezahlt über entsprechend erhöhte Nutzungsentgelte. Diese wehren sich vehement gegen den Flughafen-Entwicklungsplan, da der Ausbau ihrer Ansicht nach zu groß und zu teuer wird. Insgesamt sollen durch die erweiterte Flughafenstruktur 8,4 Mio. Passagiere pro Jahr mehr transportiert werden als heute. Aus Sicht der vom Fluglärm und Flugschadstoffen betroffenen Bürgerinnen und Bürger stellt sich Frage: Zu welchen Mehrbelastungen wird der geplante Flughafenausbau führen?
Dass Michael Eggenschwiler, der Vorsitzende der Flughafen-Geschäftsführung, allzu gerne Betreibermärchen anstelle von Fluglärmfakten vorträgt, ist bekannt. Nun ist ein neues Kapitel hinzugekommen: Um den seitens der FHG avisierten Passagierzuwachs von 8,4 Mio. auf insgesamt 26 Mio. Personen pro Jahr bis 2035 zu realisieren, sind ca. 56.000 zusätzliche Starts und Landungen pro Jahr erforderlich.
Wohlwollende Annahme hierbei ist, dass sich die durchschnittliche Transportmenge von derzeit 125 Passagiere pro Flug innerhalb von 18 Jahren auf 150 pro Flug steigern lässt. Herr Eggenschwiler meint jedoch, allein mit einer Steigerungsrate jährlicher Flugbewegungen um 0,5 % den Anstieg abfangen zu können (Hamburger Abendblatt, 12.12.18). Wenn man dieser Zahl Glauben schenken möchte, hieße das, dass „nur“ 15.000 zusätzliche Starts und Landungen pro Jahr zu den bisher 160.000 hinzukommen würden. Allerdings müsste dann jeder dieser Flüge mit 560 Passagieren pro Flug belegt sein. Dies würde bedeuten, dass jeden Tag 20 Großraumflugzeuge à la Airbus A380 den innerstädtisch gelegenen Hamburger Verkehrsflughafen benutzen müssten! Ein Horrorszenario für die fluglärmgeplagten Bürgerinnen und Bürger.
Während Michael Eggenschwiler (FHG) als Begründung für den Flughafenausbau vorschiebt, dass die Passagiere mehr Komfort und Service erwarten, erwidert der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Fluggesellschaften, Ralf Teckentrup, dass es keinen Bedarf für den Ausbau im vorgesehenen Ausmaß gibt. Jens Kerstan, Hamburger Umweltsenator, meint, dass dieser Plan aus seiner Sicht die Anzahl der Flüge nicht erhöht. Nur bei mehr Flügen und damit auch mehr Lärmbelästigung würde sich seine Behörde das genauer angucken. Außerdem sei dies eine Entscheidung aus der vergangenen Legislaturperiode.
Stefan Jersch, Bürgerschaftsabgeordneter und wirtschaftspolitischer Sprecher der Linken, weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass der angestrebte Passagierzuwachs von 26 Mio. im Jahr 2035 unzureichend kommuniziert wurde. Dies bestätigt Dennis Thering, wirtschaftspolitischer Sprecher der CDU. Er betont, dass der Senat beim Flughafenausbau intransparent handelt. Der Geschäftsführer des BUND Hamburg, Manfred Braasch, wirft Michael Eggenschwiler vor, sich mit dem Prestigeflughafen ein persönliches Denkmal setzen zu wollen und fordert seine Abberufung. Dies möchte der Hamburger Wirtschaftssenator, Michael Westhagemann, nicht. Sein Standpunkt: Der Flughafen sei wichtiger Bestandteil der Mobilität. An die flugverkehrsbedingten Umweltbelastungen sowie das Leid der Menschen in den An- und Abflugschneisen sowie im Flughafennahbereich denkt er nicht – fällt auch nicht in sein Ressort. (Quellen: NDR 12.12.18, Welt 12.12.18, Zeit 12.12.18, HA 13.12.18, Hamburger Abendblatt 14.12.18)
Um die Frage beantworten zu können, ob der seitens der FHG angestrebte Flughafenausbau auch im juristischen Sinn einen relevanten Ausbau darstellt, der eine Planfeststellung mit formaler Öffentlichkeitsbeteiligung und umfassender Umweltverträglichkeitsprüfung bedingt, muss geklärt werden, was die entscheidenden kapazitätsbestimmenden Faktoren am „Helmut-Schmidt-Airport“ sind:
• Planfestgestellt (1998) sind 192.000 gewerbliche Flugbewegungen pro Jahr (zuzüglich ca. 20.000 nicht-gewerbliche Flugbewegungen pro Jahr); d.h. insgesamt beträgt der Flugbewegungsdeckel 212.000 Starts und Landungen pro Jahr. Im Jahr 2017 fanden insgesamt (d.h. gewerblich und nicht gewerblich) 159.800 Flugbewegungen statt. Dies entspricht einem luftverkehrsseitigen Auslastungsgrad von 75 %.
• Die Koordinationseckwerte
(d.h. die maximale Anzahl an Flugbewegungen pro Stunde) liegen am „Helmut-Schmidt-Airport“ (derzeit) – je nach Pistenkonstellation – zwischen 36 bis 48 Starts und Landungen pro Stunde. Bereits jetzt liegt die (theoretische) Kapazität (für einen 17-stündigen Betriebstag) bei 223.500 bis 298.000 Flugbewegungen pro Jahr. Bei einer durchschnittlichen Passagierzahl von 125 pro Flug lassen sich somit (theoretisch) 27,9 – 37,3 Mio. Menschen jährlich transportieren.
Innerhalb der FLSK (Kommission zum Schutz des Fluglärms am „Helmut-Schmidt-Airport“) fand der Flughafen-Entwicklungsplan bisher nur marginal Beachtung. Durch die Vertretung des Flughafenbetreibers wurde u.a. vorgetragen, dass mit der Maßnahme keine Kapazitätserhöhung vorgesehen sei, sondern lediglich der heutige Standard im Hinblick auf die Prognosen gesichert und mehr Komfort für die älter werdende Bevölkerung angeboten werde. Im Hinblick auf die Emissionen von Lärm und Luftschadstoffen sei nur mit minimalen Änderungen zu rechnen, die (angeblich) unterhalb der Erheblichkeitsschwelle lägen. Anstelle einer dringend erforderlichen inhaltlichen Debatte zum etwaigen Erfordernis des Ausbaus, den tatsächlichen Umweltauswirkungen für Mensch und Umwelt sowie möglicher Alternativen lautete jeweils der lapidare FLSK-Beschluss „Kenntnisnahme“. Eine solche Kommission ist obsolet.
Fazit: Die Pistenkonstellation (Breite, Länge und Ausrichtung der Start- und Landebahnen sowie die der Rollwege) – d.h. die klassische Flughafeninfrastruktur – stellt am Hamburger Verkehrsflughafen nicht den Kapazitätsengpass dar, sondern die „landseitige Anbindung“ (bestehend aus den Terminals, der Gepäckabfertigung bis hin zur Parkplatzkapazität und S-Bahn-Anbindung). Die Flughafensuprastruktur bildet somit den kapazitätsbestimmenden Flaschenhals!
Die FHG-seitig angestrebte Erweiterung führt zu einer wesentlichen Steigerung des Flugverkehrs – verbunden mit einer entsprechenden Zusatzbelastung für Mensch und Umwelt. Folglich handelt es sich bei dem heftig kritisierten Flughafen-Entwicklungsplan um einen planfeststellungspflichtigen Vorgang und nicht um ein schlichtes Plangenehmigungsverfahren (vgl. BVerwG 4 C 36.13). Es liegt demnach ein massiver Verfahrensfehler vor, den es zwingend zu beheben gilt. Bis dahin sind die baulichen Tätigkeiten zu stoppen.
Conrad Schmidt