Die Alsterkrugchaussee und der Alsterkrug (II)

Die Stadt Hamburg galt zu Zeiten des Dreißigjährigen Krieges als uneinnehmbare Festung und überstand den Krieg einigermaßen unbeschadet. Für das Hamburger Umland und Holstein galt das nicht. Auch hier hatten viele Bauern durch wiederholte Plünderungen oder Brandschatzungen vorbeiziehender Soldaten ihre Höfe und damit ihre Existenzgrundlage verloren. Wer nicht selbst Soldat werden wollte, musste auf andere Weise über die Runden kommen. So bildeten sich in manchen Gegenden des Reiches Banden von Räubern und Wegelagern, die mit Überfällen auf Reisende und Händler ihren Lebensunterhalt bestritten. Bisweilen kämpften sie aber auch als Freischärler mit Guerillamethoden gegen die fremden Heere.

Im Dezember 1643 waren schwedische Truppen in die dänischen Gebiete eingefallen, auch in das damals noch dänische Holstein. Den Schweden ging es in dem so genannten Torstenssonkrieg (nach dem schwedischen General Lennart Torstensson benannt), vordergründig darum, sich von den Zöllen der Dänen zu befreien, die diese mit ihrer starken Marine für die Durchfahrt von fremden Schiffen im Sund und auf der Elbe erhoben hatten. Strategisch waren die Schweden aber auch an einer Schwächung der damaligen Großmacht Dänemark im Kampf um die Vorherrschaft im Ostseeraum interessiert.

Neben den regulären dänischen Truppen kämpften auch einige Banden von bewaffneten Bauern gegen die schwedischen Invasoren. Diese Wegelagerer und Freischärler wurden von den Schweden abfällig „Snapphanar“ (snapp = schnappen/rauben und hanar = Männchen) genannt. Daraus wurde im Deutschen der Begriff „Schnapphähne“, der sich schließlich überall als Bezeichnung für diese Räuberbanden durchsetzte.

Die Schnapphähne suchten sich schwer zugängliche Stützpunkte, überfielen die schwedischen Truppen aus dem Hinterhalt und nahmen ihnen das wieder ab, was die Schweden zuvor den Bauern geraubt hatten. Eine größere Bande operierte nördlich von Hamburg in der Nähe von Bad Segeberg und wurde vom Segeberger Schlossvogt Herrmann von Hatten unterstützt. Die Segeberger Schnapphähne raubten den Schweden im Zuge ihrer Überfälle Schießpulver, Pistolen, Stiefel, Sättel, einige Hundert Ochsen und nahmen auch schwedische Soldaten gefangen. Die Überfälle waren den Schweden lästig und schließlich konnten sie die Bande gefangen nehmen und erfuhren auch von der Unterstützung durch den Segeberger Schlossvogt. Der Ortsname Segeberg geht auf den Namen seiner Burg, der Siegesburg zurück, die sich auf dem Segeberger Kalkfelsen befand. 1644 wurde die Burg von den Schweden zur Strafe gesprengt.

Aber auch in der Nähe von Groß Borstel befand sich so ein schwer zugänglicher Unterschlupf einer Schnapphahn-Bande, und zwar in dem von großen Mooren umgebenen Alsterkrug. Vermutlich im Januar 1644 hatte sich die Räuberbande gegen den Willen des damaligen Wirtes im Alsterkrug eingenistet und unternahm von hier ihre Raubzüge ins Hamburger Umland. Da die Bande mit ihren Überfällen die Handelswege unsicher machte, erhielten die fahrenden Händler bald Begleitschutz von bewaffneten Hamburger Milizen. Bisweilen konnten diese einen Räuber gefangen nehmen, doch der Rückzugsort der Räuber blieb den Hamburgern verborgen. Die Kollauer Chronik berichtet, dass die Räuberbande eines Tages eine Fastnachtsfeier im nahe gelegenen Groß Borstel überfiel und sich danach mit ihrer Beute ins Moor zurückzog. In der Nähe ihres Räubernestes wurde sie jedoch schon von schwedischen Truppen des General Wrangel erwartet, die Kenntnis von der Räuberhöhle im Alsterkrug erhalten hatten. Die Schweden erschossen viele der Räuber, darunter auch ihren Anführer, und nahmen den Rest der Bande gefangen. Das Räuberunwesen an der Alster hatte ein Ende.

1645 musste der dänische König Christian IV seine Niederlage eingestehen und die Schweden zogen sich zurück. 1648 endete auch der Dreißigjährige Krieg mit dem Westfälischen Frieden. Doch nach 30 Kriegsjahren waren viele Gebiete des Deutschen Reiches verwüstet und entvölkert.

Setzt man den Beginn der Geschichte des Alsterkruges auf das Jahr 1258, so ist das Gasthaus an der Alster das älteste von Hamburg. Nach dem Ausbau der Alsterkrugchaussee und besonders nach der Einweihung der Borsteler Rennbahn 1891 wurde der Alsterkrug zu einem beliebten Ausflugsziel.

1920 erwarb Dietrich Borchers den Alsterkrug und wurde als Wirt Nachfolger der Familie Möller. Nach seinem Tod führte seine Tochter Hertha Borchers mit ihrem Mann Heinrich Hansen den Alsterkrug weiter. 1980 gab Herta Hansen die Gaststätte schließlich auf.

Das Grundstück mit dem Gasthaus wurde nun von Ernstotto Pentzin gekauft, der in der Nähe aufgewachsen war. Sein Vater Heinrich Ludwig Pentzin hatte 1907 zusammen mit Hans Heinrich Christian Nägeler das Baugeschäft Pentzin & Nägeler gegründet. Die Baufirma war sehr erfolgreich, stand aber nach den beiden Weltkriegen zweimal vor dem Ruin und musste jeweils neu beginnen. Ernstotto Pentzin hatte die Firma nach dem Zweiten Weltkrieg als junger Mann übernommen und führte sie mit vielen Aufträgen beim Wiederaufbau Hamburgs erneut zum Erfolg. 1985 ließ er den alten Alsterkrug abreißen und errichtete ein modernes und großes Hotel mit Restaurant, Bierstube, Bar und Veranstaltungsräumen, das Alsterkrug Hotel. Ein Turm an der Ecke des Hotelgebäudes erinnert architektonisch an den alten Alsterkrug, der ebenfalls einen solchen Turm besessen hatte. Im Laufe seiner Geschichte beherbergte das Alsterkrug Hotel zahlreiche prominente Gäste darunter den früheren Bundeskanzler Helmut Kohl, Otto Graf Lambsdorff, den ehemaligen US-Finanzminister James A. Baker, den Bundespräsidenten d.D. Roman Herzog, Rita Süssmuth, die ehemaligen ukrainischen Boxer und jetzigen Politiker Vitali und Wladimir Klitschko, außerdem viele Künstler und Entertainer wie Rudi Carrell, Ireen Sheer, Roberto Blanco, BAP, die Prinzen oder Peter Fox.

1997 wurde das Hotel auf 105 Zimmer erweitert, stets modernisiert, gehört zur Best Western Hotelkooperation und wird jetzt von Frank Pentzin, dem Enkel des damaligen Eigentümers Ernstotto Pentzin geführt. Die Familie Pentzin setzt so die uralte Tradition der einstigen Inhaberfamilie Möller im ältesten Hamburger Gasthaus fort.

André Schulz

Der Artikel entstand mit freundlicher Unterstützung des Alsterkrug Hotels und seiner Direktorin Janine Beek, die den größten Teil der Fotos zur Verfügung stellten.