Die Tarpenbek und ihre Geschichte (I)
Mit Blick auf die Gewässer liegt Groß Borstel eingebettet zwischen Alster und Tarpenbek. Zur Alster im Osten ist es noch ein kleiner Weg, aber die Tarpenbek, die Groß Borstel im Westen und Süden umfließt, ist den Borstelern sehr vertraut. Schließlich bildete die Tarpenbek über eine gewisse Strecke die einstige Ortsgrenze, heute die Stadtteilgrenze. Der Bach wirkt vielleicht etwas unspektakulär, hat aber im Laufe seiner Geschichte einiges „gesehen“.
So wie der Bach selbst hat auch sein Name im Laufe der Zeit einige Metamorphosen durchlaufen. In alten Schriften aus dem 13. Jahrhundert ist er als „Teruke“ erwähnt, dann auch als „Terweke“ oder „Terbeke“, was gesprochen alles ähnlich klingen könnte. Terbeke könnte „langsam fließender Bach“ bedeuten (Ter=Tropfen, Bek= Bach). Daraus wurde schließlich der heutige Name „Tarpenbek“ (Tarp= Torf).
Heute bildet die Tarpenbek noch die Grenze zu den Nachbarstadtteilen Eppendorf, Lokstedt und Niendorf. Früher war der Bach auch über eine gewisse Strecke eine politische Grenze, denn Lokstedt und Niendorf waren Dörfer in der Grafschaft Holstein-Pinneberg, die bis 1864 dänisch, und eine kurze Zeit österreichisch (!) und dann preußisch war. Der Name der Straße „Schmuggelstieg“ am Ufer der Tarpenbek in Norderstedt deutete darauf hin, dass hier einst Waren und Güter nicht auf der behördlich vorgeschrieben Weise die Grenze überschritten haben. Ganz im Norden von Hamburg, hinter dem Ring 3, bildet ein Stück der Tarpenbek noch die Grenze zwischen den heutigen Bundesländern Schleswig-Holstein und Hamburg.
Ortsunkundige könnten den Eindruck gewinnen, die Tarpenbek entspringe irgendwo unter dem Flughafengelände, denn am Rande der südwestlichen Start- und Landebahn fließt ihr Wasser aus einer Röhre ins Freie und atmet hier zum ersten Mal Groß Borsteler Luft. Doch so ist es natürlich nicht. Tatsächlich hat die Tarpenbek zwei Quellen: Die Tarpenbek-Ost mit einer Länge von 5 km entspringt nordöstlich von Norderstedt, im Glasmoor, nahe der Glasmoorstraße. Die Tarpenbek-West hat ihre Quelle im „Wilden Moor“, nördlich der Straße „Alter Kirchenweg, im Nordwesten von Norderstedt. Mit Gräben und Rückhaltebecken wurde sie auf 5,9 km künstlich verlängert. Im Tarpenbek-Park in Norderstedt, nicht weit vom Arriba-Bad, vereinigen sich die beiden Arme. Früher befand sich der Zusammenfluss etwas weiter südlich auf Höhe der Mündung des Ossenmoorgrabens und so wird dieser Bach als ehemaliger Quellfluss der Tarpenbek gezählt.
Entstanden ist die Tarpenbek, so wie viele andere Bäche und Flüsse im Norden auch, am Ende der letzten Eiszeit, also vor etwa 15.000 Jahren bei der Entwässerung des Schmelzwassers aus der Geest. Bei moderatem Gefälle schlängelte sich der Bach über Tausende von Jahren in vielen Serpentinen durch die Moore und Wiesen Richtung Süden. Zum Schluss schlägt der Bach noch einen Bogen nach Osten und mündete schließlich in die Alster. Unterwegs nimmt die Tarpenbek das Wasser von 12 Nebenbächen auf. Noch viel größer ist die Anzahl der Entwässerungsgräben, die von Menschen zur Entwässerung der Uferlandschaften angelegt wurden. Auch in Groß Borstel gibt es einen Entwässerungsgraben, den Papenreyegraben neben der gleichnamigen Straße.
So wie wir den Lauf der Tarpenbek heute kennen, war er jedoch ursprünglich nicht. Der Mühlenteich kurz vor der Mündung in die Alster ist ein künstlicher Stausee, der schon im Jahr 1263 angelegt wurde. Wie der Name sagt, bestand der Sinn der Staustufe darin, der Eppendorfer Mühle, die hier am Ufer der Tarpenbek schon vorher stand, mehr Wasser zuzuführen. Noch etwas älter, aus dem Jahr 1184 nämlich, ist die urkundliche Erwähnung einer „Coldeloghe“. Diese war eine Kornmühle auf dem Gelände des Kollauer Hofes, der einst vom Tarpenbek-Ufer bis nach Lokstedt hineinreichte. Reste des Kollauer Hofes existierte wohl noch bis in die 1940er Jahre, bevor er verschwand. An ihn erinnert noch der Straßenname „Am Kollauer Hof“ und ein acht Meter hoher Obelisk am Heckrosenweg, den der damalige Besitzer des Kollauer Hofes Jacob von Axen im Jahr 1800 in Gedenken an seine früh verstorbene Tochter aufstellen ließ.
Auch für die „Coldeloghe“ wurde das Wasser der Tarpenbek aufgestaut. Später verlegte man den Standort der Mühle an die Mündung der Kollau, deren Namen sich vom Namen der Mühle ableitet. Auch hier verhalf eine Staustufe der Mühle zu einer besseren Wasserversorgung. Auf alten Karten ist der kleine Stausee an der Mündung der Kollau in die Tarpenbek noch eingezeichnet.
Um 1591 entstand an der Kollaumündung zudem eine Pulvermühle – gegen den Protest der umliegenden Bauern, denen der Betrieb einer solchen Mühle in der Nähe ihrer Höfe zu gefährlich erschien. Tatsächlich gab es einige Zwischenfälle, bis die Pulvermühle nach einem Brand 1773 aufgegeben wurde.
In der Mitte des 19. Jahrhunderts erreichte die industrielle Revolution Groß Borstel. 1848 entstand an der Borsteler Chaussee 21, in der Nähe des Mühlenteiches, mit der Metallgießerei B. H. Meyer die erste Fabrik in Groß Borstel. Die Firma stellte hier bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges Nickel her. 1851 siedelte sich zwischen Borsteler Chaussee und Tarpenbek die Stoffdruckerei (Kattundruckerei) Wilhelm Meisser an. Als weitere Fabrik am Ufer der Tarpenbek wurde 1876 mit der Adresse Borsteler Chaussee 11 die Dachpappenfabrik Riedeburg und Möller gegründet.
Nachdem die Stoffdruckerei um 1880 geschlossen wurde, eröffnete an gleicher Stelle die Lederfabrik Velten, die vor allem dicke Ledersohlen für Schuhfabriken produzierte. Für das Gerben der Felle wurde viel Wasser benötigt, das man der Tarpenbek entnehmen konnte. Allerdings entstand dabei auch viel schmutziges und stinkendes Abwasser, das anfangs ebenfalls über die Tarpenbek entsorgt wurde. Nach Beschwerden der Anwohner ließ die Stadt im Jahr 1900 am Rosenbrook ein Siel zur Abwasseraufnahme bauen. Richtig Herr wurde man der Geruchsbelästigung aber nicht. Die Gerüche mussten die Anwohner noch bis 1950 ertragen. Dann erst stellte die Gerberei ihren Betrieb ein.
Aber schon vorher, in den 1930er Jahren, hatte die Tarpenbek die größten Eingriffe in ihre Natur hinnehmen müssen. Davon mehr im nächsten Heft.
André Schulz