Die Tarpenbek und ihre Geschichte (II)
Die einst langsam fließende und mit vielen kleinen Mäandern versehene Tarpenbek besaß ursprünglich nur ein flaches Bett und überspülte bei Hochwasser oder während der Schneeschmelze regelmäßig die angrenzenden Gebiete. Das Wasser floss danach nur langsam ab und das überspülte Land versumpfte, was die Erschließung von neuem Bauland in den angrenzenden Stadtteilen für die wachsende Stadt Hamburg erschwerte. Auf der anderen Uferseite war Preußen ebenfalls an einer Trockenlegung der Ufergebiete interessiert. So entstand der gemeinsame Plan, zur schnelleren und besseren Entwässerung der Uferlandschaften den Lauf der Tarpenbek zu begradigen und das Bachbett zu vertiefen. Beide Maßnahmen sollten die Fließgeschwindigkeit des Baches deutlich erhöhen, ums so eine Absenkung des Grundwassers der Ufergebiete zu erwirken.
Erste Gespräche zwischen den preußischen und Hamburger Behörden darüber wurden schon zu Beginn der 1920er Jahre geführt. Eine Übereinkunft kam aber erst 1930 zustande. Die Begradigung der Tarpenbek sollte auf einer Strecke von etwa neun Kilometern vorgenommen werden, von einem Punkt in Norderstedt, ungefähr dort, wo einst die Gaststätte „Tarpenkate“ stand, bis zum Mühlenteich. Die Tarpenkate gibt es heute nicht mehr. Auf dem Grundstück entstand 1990 die Eyub Sultan Moschee.
Die Arbeiten an der Begradigung der Tarpenbek begannen nur wenige Tage nach dem Vertragsabschluss zwischen Hamburg und Preußen am 12. November 1930. Zu dieser Zeit herrschte überall in Deutschland Massenarbeitslosigkeit infolge der Weltwirtschaftskrise von 1929. Die mit der Begradigung des Baches beauftragten Firmen erhielten deshalb die Auflage, als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme möglichst viele Menschen bei dem Projekt zu beschäftigen. Aus diesem Grund wurde auf den Einsatz von Maschinen verzichtet. Einzige Ausnahme waren Pumpen zur Entwässerung. Täglich wurden 100 sogenannte „Notstands-Arbeiter“ eingesetzt, die das neue begradigte Bachbett nur mit Schaufeln aushoben. Die Arbeiten dauerten ziemlich genau zwei Jahre, mit einigen Unterbrechungen, wenn die Baustellen überspült wurden oder in den Wintermonaten. Am 9. November 1932 wurde das neue Bett von den Behörden abgenommen. Neben den angesprochenen Vorteilen zog die Regulierung aber auch eine Reihe von unerwünschten Ergebnissen nach sich, die sich jedoch erst im Laufe der Jahre bemerkbar machte.
Ein weiterer Eingriff in den Lauf der Tarpenbek erfolgte 1947/48 beim ersten Ausbau des Flughafens nach dem Krieg, den noch die englischen Besatzungstruppen organisierten. Da der Bach bei der Verlängerung der Start- und Landebahnen im Weg war, wurde er auf einer Strecke von zwei Kilometern kurzerhand um etwa 500 Meter in Richtung Westen verlegt.
Mitte der 1950 Jahre wurde der Flughafen ein weiteres Mal ausgebaut. Noch einmal wollte man die Tarpenbek aber nicht verlegen, sondern führte sie nun in Rohren an zwei Stellen unter den Startbahnen des Flughafens durch. Von der Quelle aus gesehen stürzt das Wasser der Tarpenbek hinter einem Rückhaltebecken am Krohnstieg über ein Wehr unter den Ring 3 ab und begibt sich nach 150 Metern Fließstrecke 500 Meter lang unter die nördliche Start- und Landebahn. Nach drei Kilometern verschwindet der Bach erneut, diesmal unter der südwestlichen Bahn.
Mit der Begradigung des Bachlaufes in den 1930er Jahren hatte sich die Fließgeschwindigkeit des Wassers wie gewünscht deutlich erhöht. Das Grundwasser in den Ufergebieten senkte sich und neues Bauland konnte erschlossen werden. Die Fließgeschwindigkeit des Baches war aber nun so hoch, dass besonders bei Hochwasser die Erosion an den Uferböschungen sehr stark wurde. Um diesem Effekt entgegenzuwirken, wurden deshalb Querbauten aus Stein, so genannte Sohlschwellen, in das Bett eingebaut. Geröllsteine sollten die Uferböschungen befestigen. So oder so wurde das Ökosystem an den Ufern der Tarpenbek schwer geschädigt. Pflanzen konnten sich an den Ufern nicht mehr halten. Viele Pflanzen und Tiere verschwanden. In der Folge sank auch die Wasserqualität.
Spätestens in den 1980er Jahren setzte ein allgemeines Umdenken im Umgang mit der Natur ein und im Zuge des neuen Zeitgeistes wurde auch die Tarpenbek zum Teil renaturiert. 2014 entstanden am Oberlauf drei neue Mäander, mit deren Hilfe sich die Fließgeschwindigkeit der Tarpenbek wieder verlangsamte. Schon nach kurzer Zeit siedelten sich Uferstauden und Wasserpflanzen an und kleinere Fische, Libellen und Wildbienen wurden wieder heimisch. Der NABU übernahm für einige Abschnitte der Tarpenbek die Bachpatenschaft und half mit Bachaktionstagen und Unterstützung von Ehrenamtlichen und Schulklassen bei der Neu-Gestaltung der Bachniederung. Auch der Unterlauf der Tarpenbeck ist inzwischen an einigen Stellen renaturiert. Besonders der Absturz am Krohnsteigtunnel bleibt aber für alle Lebewesen ein unüberwindliches Hindernis. Tiere, die am Unterlauf nun wieder zu finden sind, können den Oberlauf der Tarpenbek nicht erreichen, obwohl sie dort eigentlich gute Lebensbedingungen finden würden.
In den 1960er Jahren wurde an den Ufern von Kollau und Tarpenbek Wanderwege angelegt, die auch von Radfahrern gerne genutzt werden. Die Wege sind an manchen Stellen sehr eng, sollen aber nach Abschluss der Renaturierung im Zuge der Stadtentwicklungsmaßnahmen verbreitert werden. Der Natur eng verbunden sind auch die Gartenfreunde, die seit mehr als 100 Jahren mit ihren Klein- oder Schrebergärten die Ufer der Tarpenbek säumen.
2015 wurde in einem Waldstück auf dem Flughafengelände eine alte dänische Brücke wiederentdeckt, die 1798 auf Veranlassung des dänischen König Christian VII. erbaut worden war, damit die Bürger aus dem dänischen Hummelsbüttel und den Nachbardörfern der Grafschaft Pinneberg mit ihren Fuhrwerken und Kutschen die Tarpenbek überqueren und die 1769/70 neu erbaute Niendorfer Marktkirche erreichen konnten. Die acht Meter lange und fast vier Meter breite Brücke verlor jedoch ihren Zweck, als das Bett der Tarpenbek im Zuge der Begradigung 1930-32 verlegt wurde. Sie verblieb auf dem heutigen Flughafengelände, wurde überwuchert und blieb bis zur Wiederentdeckung vergessen.
André Schulz