Editorial

Liebe Borsteler,

Groß Borstel liegt voll im Trend: „Verkehrschaos wird Wahlkampfschlager“ titelt das Hamburger Abendblatt vom 12. Januar 2019. 86 Prozent der genannten Probleme in Hamburg sind einer Meinungsumfrage zufolge die Verkehrs- und Mobilitätsthemen, inklusive schlechter Fuß- und Radwege. Und nicht, wie häufig behauptet, das Thema Wohnen und Mieten. Renommierte Verkehrsforscher, wie Philine Gafron, von der TU Harburg, verstehen bis heute nicht, wieso der Senat unter Olaf Scholz im Wahljahr 2010 das Stadtbahnprojekt gekippt hat, um dem Unmut der Wähler in Winterhude und Eppendorf zu entgehen, die eine jahrelange Bautätigkeit in ihrem Quartier befürchteten.

Sogar von den umfrageverwöhnten Grünen kommen inzwischen zaghafte Überlegungen, ob die Stadt neben Radeln doch vielleicht ein modernes Verkehrsmittel braucht, welches die wachsende Bevölkerung nicht auf den verstopften Straßen transportiert. Wäre statt der ziemlich nutzlosen Busbeschleunigung 2010 gleich mit dem Bau einer neuen Stadtbahn begonnen worden, hätten sich die Borsteler vielleicht schon in ein paar Jahren wieder über eine Bahnanbindung freuen können! Sollte man diesen Gedanken vielleicht stärker überall in die Diskussion bringen?

„Was kommt raus, wenn man einen Bus mit einem Taxi kreuzt? Moia – sagt zumindest VW. Moias sind Sammeltaxis für bis zu sechs Personen, die alle ungefähr in die gleiche Richtung wollen und ein bisschen mehr Zeit haben, ein bisschen weniger Geld zahlen wollen und ihrem Moia dafür auch ein paar Schritte entgegenzugehen bereit sind.“ Diese Meldung stammt aus der ELBVERTIEFUNG, dem Online Newsletter der ZEIT. Was hat das mit uns Borstelern zu tun? Nun, der Hauptstützpunkt für Hamburg ist in Groß Borstel auf dem alten Strüvergelände / GB31 geplant und zwar für 400 Autos. Und damit bekommt Groß Borstel bald zumindest eine Alternative zur nicht vorhandenen Bahnanbindung und einem rudimentären HVV Angebot! Der Start für die Nutzung von Moia soll übrigens im April 2019 liegen. 

Auf der letzten Mitgliederversammlung wurde erzählt, dass neulich auf der Güterbahn Strecke eine Flix-Regionalbahn gesichtet wurde. Dies war zwar wohl nur dem Umstand geschuldet, dass es Chaos am Hauptbahnhof gab und die Güterbahn als Entlastung genutzt wurde. Aber S-Bahnen könnten doch theoretisch über diese Gleise fahren und am Nedderfeld halten… Vielleicht angebunden an das Neubaugebiet Tarpenbeker Ufer durch einen Tunnel oder eine Brücke…?

Apropos Brücke: Lesen Sie den Bericht von Christian Fraude, wie es sich dort lebt als Leidtragender der Verzögerungspolitik des LSBG (Landesbetrieb Straßen, Brücken, Gewässer), der mit immer neuen Auflagen und Prüfterminen die Freigabe der fertigen Brücke unnötig verzögert. Der einzigen Anbindung an das Zentrum von Groß Borstel. Ursprünglich sollte die Brücke bereits Ende 2017 fertiggestellt sein.

Tja, die realistische Planung der Infrastruktur und vor allem des Verkehrs fällt wohl immer erst auf, wenn die Neubaugebiete stehen. Oder wahrscheinlicher: Die öffentliche Verwaltung ist derartig überlastet, dass sie den ungebremsten Bauboom nicht zeitnah bewältigen kann. Hatte der Kommunalverein nicht schon bei der Planung vor fast fünf Jahren vor der schlechten Anbindung des Tarpenbeker Ufers gewarnt?

Herzliche Grüße

Ihre Ulrike Zeising

P.S.  Kurz vor Drucklegung sagte Bürgermeister Peter Tschentscher im Interview des Hamburger Abendblatts, dass die Planung für die U 5 nun doch den Siemersplatz berücksichtigen soll. Das wäre immerhin eine Perspektive für den südlichen Teil von Groß Borstel. Allerdings wurde diese Aussage inzwischen reduziert auf die Möglichkeit von zwei Alternativtrassen, wobei eine über Siemersplatz, die andere durch Lokstedt führen könnte. Baufertigstellung ungewiss, frühestens in den 2030er Jahren.