Eichhörnchen-Nothilfe in Groß Borstel
Ein Artikel von Katja von Bergen
Wie ich dazu gekommen bin Eichhörnchen in Not aufzunehmen? Wie die Jungfrau zum Kinde. Hätten auch Mäuse oder Marder sein können, da ich Pfingsten nicht wusste, was ich da eigentlich gerade pflege. Aufmerksame Mädchen haben sich rührend um ein paar nackter Wesen herumgestellt, direkt vor unserer Haustür und vor unserem Wagen, den wir für Pfingsten beladen haben, um zu unserem Ferienhaus im Wendland zu fahren.
Wie sich herausstellte, waren diese beiden kleinen Mäuse, wie sie von den Mädchen eingestuft wurden, in Wahrheit Eichhörnchen. Das hat uns Tante Google nach einiger Recherche verraten. Meine Tochter und ich haben uns dann zwei Nächte abgewechselt und haben die kleinen Wesen alle zwei Stunden gefüttert, immer in der Hoffnung, dass sie noch leben, wenn wir die Transportbox aufmachen.
Nach zwei Tagen bin ich dann fündig geworden, wo man die Tiere hinbringen kann, und habe den Eichhörnchen-Notruf angerufen (0700 – 200 200 12). Hier wurde mir eine Auffangstation eine Autostunde entfernt empfohlen. Ehrlich gesagt waren meine Tochter und ich zu dem Zeitpunkt mittlerweile so müde, dass wir auch noch länger gefahren wären.
Die Kollegin im Osten der Republik hat mir dann geschrieben, wie begeistert sie über den Zustand der doch schwierig zu päppelnden Kleinst-Eichhörnchen war, und sie hat mich gefragt, ob ich in Hamburg nicht eine Auffangstation gründen möchte.
Sie hat mich dem Verein empfohlen, und bevor ich mich umsah, hatte ich jeden Tag einen Anruf aus der Hotline – bevor ich vernünftig ausgestattet war. Lisa war aber meine Mentorin, die ich nicht nur jedes Mal anrufen konnte und auch per WhatsApp um Rat fragen konnte, sondern sie hat auch alle Notfälle, die auf diesem Wege zu mir kamen, bei sich auf dem Land dann aufgenommen, päppelt sie, bis sie bereit sind, in die Außenvoliere zu kommen und wildert sie dann kontrolliert wieder aus. So kann ich in Hamburg immer wieder neue Notfälle aufnehmen und sie auf’s Land „schleusen“.
Dank Corona ist mir so ein Hobby möglich, da ich im Moment meine Trainings, Coachings und Beratungsaufträge ausschließlich virtuell durchführe und in den Pausen meine kleinen Patienten versorge.
Dabei bin ich auch auf einen großartigen Tierarzt mitten in Groß Borstel gestoßen, der mich sehr hilfsbereit bei kranken Tieren unterstützt und nur fünf Minuten Fußweg entfernt ist. Tierarztpraxis Dr. Dörr, Borsteler Chaussee 47, Telefon: 040 55 00 48 22. Erst diese Woche bin ich mit einem durch Vogel-angriff verletzten Hörnchen zu ihm gegangen und mit einem recht desolaten weiteren jungen Hörnchen nach Hause gegangen, was eine nette alte Dame aufgesammelt hat und die, wie der Zufall es so wollte, zur gleichen Zeit wie ich in der Praxis war.
Viele Missverständnisse
Mir ist es ein Anliegen, damit aufzuräumen:
• Es gibt keine Tollwut in Hamburg. Eichhörnchen gehören zu den wenigen Säugetiere, die beim Menschen Hilfe suchen, wenn sie in Not sind. Wenn Ihnen also ein Eichhörnchen zu Nahe tritt oder an Ihnen hochklettert, dann, weil es in Not ist, nicht weil es Tollwut hat.
• Sie beißen nicht, es sei denn, Sie bringen sie in Bedrängnis. Sie sind, wenn sie Hilfe suchen, oft zu erschöpft, um wehrhaft zu sein.
• Es lohnt sich, ihnen zu helfen. Wir bringen nicht alle durch, aber 80 % schaffen es mit menschlicher Hilfe.
• Die Natur regelt es, ja, aber wenn Sie ein Lebewesen in Not sehen, haben Sie die Entscheidung: Natur oder Hilfestellung.
Erste-Hörnchen-Hilfe
Hier eine Anleitung, was man tun soll, wenn
man ein Eichhörnchen in Not findet:
• Rufen Sie die 0700 – 200 200 12 an. Es gibt Auffangstationen. Die Süderstraße ist eine davon, aber meistens überlaufen.
• Als erstes sollte man, besonders bei ganz Kleinen, eine Rückführung versuchen Der Notruf gibt Ihnen eine Audio-Datei mit Notschreien der Kleinen. Dadurch hat so manche Hörnchen-Mutter ihre Kinder wieder eingesammelt. Das ist immer das Beste.
• Wenn das nicht funktioniert oder Sie einen Vogelangriff-Notfall finden, rufen Sie die Nummer an, und Sie werden an eine Auffangstation vermittelt.
• Bis sie es zur Station bringen können: Bieten sie eine Lösung aus Fencheltee, ein bisschen Honig und ein wenig Salz auf einem Löffel an. Und legen Sie das Hörnchen in einen Karton mit einer Wärmflasche. Zur Not eine Plastikflasche mit warmem Wasser. Das Hörnchen muss aber die Möglichkeit haben, sich davon weg zu bewegen, falls es zu warm wird. Ein altes Küchenhandtuch zusätzlich dazulegen, um es zu wärmen, ist auch gut.
Finanzierung der Eichhörnchen Nothilfe:
Der Verein muss sich finanzieren, Telefonnotdienst etc. abhalten. Das ist alles ehrenamtlich. Wenn Sie spenden wollen, finden Sie auf eichhoernchen-notruf.com auch eine Bankverbindung. Die ehrenamtlichen Helfer kaufen die Medikamente und das Zubehör meist selbst. Wenn Sie also ein Eichhörnchen abgeben und noch etwas spenden möchten, ist das auch in der Auffangstation gut aufgehoben.
Versuchen Sie auch neue Verbündete zu finden – Hamburg ist voller Notfälle, und es gibt nicht genug sach- und fachgerechte Auffangstationen – und wer weiß, wie lange ich das noch machen kann. Wenn ich wieder reisen muss, ist das vorbei.
Was man mitbringen muss, um auch
helfen zu können.
Ich würde mich über andere Helfer freuen,
es gibt allerdings ein paar Voraussetzungen,
über die man sich vorher Gedanken machen
sollte:
• Die Tiere kommen meistens mit Trittbrettfahrern. Sie müssen erst einmal gründlich auf Parasiten abgesucht werden. Und dann müssen diese auch entfernt werden, weil Parasiten das ohnehin geschwächte Tier weiter schwächen.
• Je nach Alter des Tieres muss man in der Lage sein, die Tiere alle 3-5 Stunden zu versorgen. Auch nachts und tagsüber. Ein Vollzeitjob, in dem man präsent vor Ort arbeiten muss, ist also schon ein Ausschlusskriterium.
• Die Tiere sterben auch manchmal, wenn sie schon in einem zu desolaten Zustand sind. Dann ist jeder Versuch vergebens. Man darf also nicht allzu zart besaitet sein.
• Manche Tiere müssen auch zu einem Tierarzt.
• Man muss Käfige, Transportboxen, Futter und Medikamente selbst finanzieren.
Eine Einführung von mir und Mentorship bei den Notfällen gäbe es aber von mir. Ich würde auch keinen dem Verein empfehlen, der nicht gut eingearbeitet und bereit ist, die Verantwortung für diese Lebewesen zu übernehmen.
Wenn Sie Interesse haben und den Kriterien entsprechen, melden Sie sich gern bei mir. Wir können zusätzliche Helfer in Hamburg gebrauchen!
Abschließend sei gesagt, dass ich trotz einem Vollzeitjob große Freude bei diesem Ehrenamt empfinde. Wenn ich höre, dass ein Findling nach der kontrollierten Auswilderung in die Freiheit entsprungen ist, freue ich mich sehr. Wohlwissend, dass auch ein Eichhörnchen ein Nesträuber ist oder vielleicht nur das Futter eines Greifes wird. Ich habe dann aber mein Möglichstes gegeben, einem Lebewesen eine zweite Chance zu geben. Und irgendein Hobby muss der Mensch ja haben. Warum also nicht so ein sinnvolles?
Katja von Bergen, katjavonbergen@yahoo.de