Ein Café für alle – wollen das wirklich alle Parteien?

Letztlich kommt es in der repräsentativen Demokratie auf die Glaubwürdigkeit an. „Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern“, dieses Zitat von anno 1948, das Konrad Adenauer zugeschrieben wird, möchten wir der neuen möglichen Bezirkskoalition (SPD, CDU, FDP, Volt) in Hamburg-Nord nicht als Haltung unterstellen. Jedoch können wir an dieser Stelle Anträge der Parteien der Koalition in Ruhe beleuchten, um zu sehen, wie wir die wiederholten Bekenntnisse zu einem „öffentlichen Café“ im Stavenhagenhaus einzuschätzen haben.

Die FDP stellte in einem Antrag vom März die Forderung auf: „… schnellstmöglich eine nicht-gewerbliche gastronomische Versorgung … sicherzustellen …“ – was immer eine „nicht-gewerbliche gastronomische Versorgung sein könnte? Jeder Gastronom ist bekanntlich verpflichtet, sein Gewerbe anmelden.

Die CDU äußerte „rechtliche Bedenken gegen einen erweiterten gastronomischen Betrieb mit gewinnorientierter Ausrichtung“ –also doch kein Café für alle? Sie stellte zudem in der Bezirksversammlung vom 10. Oktober durch Ekkehart Wersich grundsätzlich infrage, ob das Stavenhagenhaus in den vom Senat verabschiedeten Rise-Prozess einbezogen werden darf. Es sei zwar ein sogenanntes Hamburg-Haus. Gehöre aber dem Bezirk. Und dort haben jetzt SPD, CDU, FDP und Volt das Sagen?

In dem inzwischen beschlossenen Antrag von SPD, CDU, FDP und Volt vom 10.10.2024 wird gefordert, schnellstmöglich so etwas wie den alten Zustand (mit Hausmeisterbewirtung und Hausmeisterwohnung) wieder herzustellen, nämlich: „…so schnell wie möglich dafür Sorge zu tragen, dass Initiativen, Vereine und andere in Betracht kommende Mieterinnen und Mieter der Räumlichkeiten im Stavenhagenhaus ihre Veranstaltung wieder … mit einem gastronomischen Angebot … durchführen können“. Klasse. Endlich haut mal einer auf den Tisch.

Aber wie soll das alles gehen? Die Hausmeister müssten an sieben Tagen die Woche, also auch abends und am Wochenende neben der Hausmeisterarbeit die gastronomische Versorgung sicherstellen. Und das so schnell wie möglich. Und auch diese Hausmeister bräuchten eine Konzession. Und wenn eine Konzession möglich ist, liebe SPD, CDU, FDP und Volt, warum dann nicht gleich das Café für alle? Weil Ihr es in Wirklichkeit gar nicht wollt?

Gleichzeitig wurde beschlossen, durch das Rechtsamt und möglicherweise durch Einholung externer Expertise „rechtlich fundiert aus jedem rechtlich in Betracht kommenden Blickwinkel prüfen zu lassen, ob für den zurückliegenden Zeitraum eine Erlaubnis nach Gaststättenrecht notwendig war“.

Prüfen also, ob der Ausschank in der Vergangenheit durch den Hausmeister tatsächlich illegal war – weil ohne Konzession.

Der bisherige Hausmeister hatte für den Ausschank und die gastronomische Bewirtung eine Firma angemeldet, so hatte er selbst berichtet. Für diese Firma ist anscheinend vom Bezirksamt keine Schankerlaubnis erteilt worden. Hoffentlich gibt es jetzt im Nachhinein keine nachbarschaftlichen Anzeigen gegen die Hausmeister, die bekanntlich ebenfalls gewinnorientiert gearbeitet hatten. Mit dem Anschein behördlicher, also gemeinnütziger Tätigkeit.

Selbstverständlich muss, wer ein Gewerbe anmeldet, gerade bei gastronomischen Betrieben, eine ganze Reihe von Vorschriften beachten. Eine der Vorschriften: Der Gastronom braucht eine Konzession. Nachzulesen auf Hamburg.de oder im Gaststättengesetz. Wie aber konnte vom Hausmeister eine Firma angemeldet werden, ohne dass das Gewerbeamt eine Konzession sehen wollte? Ohne dass kontrolliert wurde, ob alle gaststättenrechtlichen Vorschriften beachtet wurden? „Weil es schon immer so war“?

Dass ausgerechnet die CDU und die FDP sich an einem Antrag beteiligen, der die Gewinnerwirtschaftung von Unternehmen infrage stellt, ist bemerkenswert amüsant. Aus SPD-Kreisen wird zudem immer neu die Forderung nach einem „sozialen Träger“ für die Gastro im Stavenhagenhaus laut.

Ein sozialer Träger, der Menschen mit Behinderung beschäftigt, wäre durchaus sympathisch. Doch die Recherchen im Vorfeld der Ausschreibung im Jahre 2023 für die Stavenhagenhaus-Gastro haben ergeben: Soziale Träger haben kein Interesse an nicht gewinnorientierten Projekten. Sie müssen ihre Beschäftigten selbstverständlich nach Tarif bezahlen und brauchen eine auskömmliche ökonomische Basis. Konsequent hat sich nach der Ausschreibung kein einziger sozialer Träger an dem Auswahlverfahren beteiligt.

Wie also soll ein „nicht gewinn-orientierter“ bzw. „nicht-gewerblicher“ gastronomischer Betrieb konzessionslos funktionieren? Weiter illegal? Die Fragen konnten in der zugegebenermaßen deprimierenden Bürgersprechstunde der Bezirksversammlung im Oktober nicht geklärt werden.

Die repräsentative Demokratie baut auf Vertrauen auf. Dieses Vertrauen zu verspielen, weil Versprechungen nicht eingehalten werden, sägt an den Grundpfeilern der Demokratie. Die Bezirksversammlung ist zwar kein Parlament, sondern letztlich ein Verwaltungsausschuss mit beratender Funktion. Ich will mal moderat sagen: Das durch die Wahl für fünf Jahre gegebene Vertrauen sollte die mögliche neue Koalition lieber nicht aufs Spiel setzen.

Uwe Schröder