EINE IKONE WIRD ZERLEGT
Teile der 707 sollen versteigert werden
1959 landete mit der Boeing 707, einem eleganten Flugzeug mit vier Triebstrahlwerken, das erste Passagier-Düsenflugzeug auf dem Flughafen Hamburg-Fuhlsbüttel. 25 000 Schaulustige waren damals gekommen, das Spektakel zu bestaunen. In Hamburg brach das Jet-Zeitalter an.
Dröhnend, wie man es von Propellermaschinen nicht gewohnt war, hob der Silbervogel nach nur acht Minuten wieder ab. Weiterflug nach New York. Die vielen Schaulustigen waren empört, sie hatten erwartet, dass sie noch ein wenig länger den modernen Vogel bestaunen konnten. Und sie hatten nicht erwartet, dass es so laut werden würde.
Zwölf Jahre zuvor, kurz nach dem Krieg, überlegte man erstmals, den Militärflugplatz bei Moorkaten in der Nähe von Kaltenkirchen für das bevorstehende Düsenzeitalter in der Passagierluftfahrt zu ertüchtigen. Denn eines war den Politikern – damals jedenfalls – klar: Den Lärm von Düsenflugzeugen kann man Stadtbewohnern und stark bewohnten ländlichen Gebieten auf keinen Fall zumuten.
Was 1959 begann und sich dann langsam, aber beharrlich steigerte, wurde bis zur jetzt einsetzenden Klimadiskussion zur absoluten Lärmkatastrophe. Die 707 steht als Symbol für diese inzwischen maßlose Rücksichtslosigkeit gegenüber den Bewohnern der umliegenden Stadtteile und Landkreise. Der Flughafen Hamburg ist der letzte europäische Flughafen mitten in einer Großstadt. Deren Anwohner sind von 6 bis 24 Uhr gesundheitsgefährdendem Lärm ausgesetzt.
Immer wieder wurden sie in der Vergangenheit vertröstet mit dem Bau des Flughafens Kaltenkirchen. 1983 beschlossen der Ministerpräsident Schleswig-Holsteins, Uwe Barschel (CDU, *1944, + 1987, Ministerpräsident von 1982 bis 1987), und Hamburgs Erster Bürgermeister, Klaus von Dohnanyi (SPD, *1928, Bürgermeister von 1981 bis 1988), den Flughafen Kaltenkirchen doch nicht zu bauen.
Dohnanyi, der in Alsternähe in der Innenstadt wohnt, ist ohnehin nie von Fluglärm betroffen gewesen. Er profitiert von einer Regelung des ehemaligen Wirtschaftssenators Helmuth Kern (SPD, *1926, + 2016, Senator von 1966 bis 1976), die die Flüge über die Start und Landebahn über Alsterdorf nur für den absoluten Ausnahmefall vorsieht. Von Gleichbehandlung der Anwohner an den restlichen Start- und Landebahnköpfen ist nicht die Rede.
Große Bagger mit gewaltigen Sägeblättern zerlegen jetzt den Rumpf und die Flügel dieser 707, der Ikone der Luftfahrt. Sie stand in der Nähe des Coffee-to-Fly-Cafés, diente gelegentlich als Kulisse für Filmaufnahmen, als Übungslocation für Zollfahnder und Probeobjekt für Enteisungsschulungen. Teile des Flugzeugs werden im September versteigert.
Vielleicht sollten wir bei der nächsten Mitgliederversammlung auf den Niedergang dieses Luftfahrtsymbols anstoßen? Dass es weitgehend ohne Fluglärm geht, ohne dass die Wirtschaft gleich zusammenbricht, immerhin auch das hat uns die Pandemie gezeigt.
Uwe Schröder