GROSS BORSTELS NEUE QUARTIERSLOTSIN
Julia-Christin Jeske von QplusAlter
Völlig überraschend hat Groß Borstel eine Quartierslotsin bekommen: Julia-Christin Jeske. Sie stellte sich und ihre Arbeit schon in der Stadtteilkonferenz und im Kommunalverein vor und nimmt gerade Kontakt auf zu den Menschen und wichtigen Institutionen in Groß Borstel. Ihr Ziel: älteren Menschen dabei behilflich zu sein, selbständig und selbstbestimmt im Stadtteil zu leben und ihren Alltag nach ihren Vorstellungen zu organisieren. Und zwar für die älteren Menschen vollkommen kostenfrei.
Gerade im Alter kommt es vermehrt zu Situationen, in denen die Selbständigkeit und Unabhängigkeit sowie das Leben in der gewohnten Umgebung gefährdet sind. Manchmal genügt dabei ein Blick in das nächste soziale Umfeld, teilweise sind aber auch Profileistungen notwendig, um das Leben nach den eigenen Vorstellungen zu gestalten. Individuelle, passgenaue und kreative Lösungen sind gefragt, unter Einbeziehung aller persönlichen Ressourcen des Menschen, seines Umfeldes, von Hilfsmitteln und Technik, der vorhandenen Angebote im Stadtteil und Profileistungen. Diese Möglichkeiten können dann möglichst gut miteinander verknüpft werden.
Wie zum Beispiel bei Frau Kaufmann: Frau Kaufmann (Name von der Redaktion geändert), 73 Jahre, verwitwet, lebt seit 30 Jahren in einem Wohnblock, 1. OG, zwei Kinder, davon ein Sohn in Hamburg. Nach einem leichten Schlaganfall war sie zwei Wochen im Krankenhaus. Zurück zuhause hat sie gemerkt, dass es immer schwieriger wird, den Haushalt allein zu schaffen. Sie will zuhause wohnen und selbstständig bleiben, weiß aber nicht wie. Zusammen mit ihrem Sohn schaltet Frau Kaufmann eine Lotsin ein, gemeinsam mit ihr organisiert sie ihren Alltag:
Mit Unterstützung der Lotsin sucht Frau Kaufmann den besten Weg zum Supermarkt heraus. Sie nutzt einen Rollator mit Sitz und Halterung für ihre Taschen. Für die 500 Meter zum Supermarkt braucht sie zwei Stunden. Das macht ihr aber nichts, denn sie hat ja Zeit und möchte sich gerne selbst aussuchen, was sie kaufen will. Auf halber Strecke gibt es ein Café. Im Gespräch mit der Lotsin kam Frau Kaufmann auf die Idee, die Inhaberin zu fragen, ob sie sich dort mit ihrer Thermoskanne für eine Pause auf die Bank setzen darf. Für den Notfall kennt die Besitzerin den Spezialnotruf direkt zum Pflegedienst. Dreimal in der Woche kauft Frau Kaufmann ein, einmal wöchentlich begleitet sie eine Physiotherapeutin, die bei der Körperhaltung unterstützt.
Mit Unterstützung der Lotsin gelingt es, in der Küche den Herd mit Sicherheitsschaltung, im Bad die Dusche bodengleich und mit Wasserstopp auszustatten. Täglich kommt eine Koch- und Haushaltshilfe des Pflegedienstes, abends macht sich Frau Kaufmann das Essen selbst, am Wochenende geht sie zum Mittagstisch in den Stadteiltreffpunkt. Die Apotheke blistert (portioniert) und liefert Medikamente.
Zusätzlich haben Frau Kaufmann und die Lotsin überlegt, wen es aus ihrem nächsten Umfeld aus Familie, Freunden und Nachbarn gibt, der sie unterstützen kann, und wie Frau Kaufmann selbst auch etwas für andere tun kann. Der Sohn regelt Behördenangelegenheiten und Arztbesuche, der 12-jährige Sohn der Nachbarin mäht das kleine Gartenstückchen vor dem Haus und bekommt dafür ein Taschengeld, ihre Freundin begleitet sie einmal im Monat ins Theater. Mit der Nachbarin geht Frau Kaufmann alle zwei Wochen zum Seniorentreffen in die Kirchengemeinde und bringt selbstgebackenen Kuchen mit. Bei Bedarf nimmt Frau Kaufmann stundenweise den Hund von ihrem jungen Nachbarn auf. Wenn der ihn abholt, macht er die Mineralwasserflaschen auf.
Das Beispiel verdeutlicht, wie ältere Menschen mit Hilfe von Lotsinnen selbst wirksame Akteure ihres Alltags sind. Familiäre, nachbarschaftliche und freundschaftliche Hilfe ist eher „Normalität“ als ein durch professionelle Anbieter vorgenommener wöchentlicher Einkauf. Dabei ist letzterer nicht „schlechter“, er ist in vielen Situationen die einzige Möglichkeit einer Versorgung im eigenen Zuhause. Der selbständige Einkauf dauert zwar länger, ist aber die dem individuellen Bedarf besser entsprechende Variante: Der ältere Mensch kann selbst an der Theke aussuchen, er kann sich auf dem Weg dorthin unterhalten und er hat einen Anlass, das Haus zu verlassen und „unter die Leute zu gehen“. Etwas selbst zu tun und den Alltag nach dem eigenen Willen zu gestalten, gibt dem Menschen Würde, Energie und Zuversicht, auch wenn es kleine und kleinste Schritte sind.
QplusAlter ist eine Initiative der Ev. Stiftung Alsterdorf, gefördert durch die SKala-Initiative sowie in Partnerschaft mit der NORDMETALL-Stiftung, der Karin und Walter Blüchert Gedächtnisstiftung und der HOMANN-Stiftung.
Julia-Christin Jeske ist 28 Jahre alt, gelernte Krankenschwester und hat einen Master in Gerontologie (Alterswissenschaft). Sie ist zu erreichen unter Tel. 0152 2270 8701 oder per Email: julia-christin.jeske@qplusalter.net. Infos über QplusAlter findet man auf der Webseite der Initiative www.qplus-hamburg.net.