Häuser, die Geschichten erzählen:

Auch Hamburg hatte eine Straßenbahn (I)

Hauptbahnhof
Neuerwall-Pferdebahn
Hohenfeld-Luebecker-Tor

Die Abschaffung der Straßenbahn war seinerzeit wohl die größte verkehrspolitische Fehlentscheidung von Hamburger Politikern. Die ersten Weichen für diese Entscheidung wurden schon Mitte der 1950er Jahre gestellt, zu Zeiten der Bürgermeister Kurt Sieveking (CDU) und Max Brauer (SPD).  Damals gab es eine große Zunahme des Autoverkehrs, denen nach der damaligen (und leider auch heute noch teilweise vertretenen) Auffassung die Straßenbahn nur im Weg war. Außerdem glaubte man damals noch, fast alle Straßenbahnstrecken mittelfristig durch U- Bahnen ersetzen zu können. Langfristig wurden die U-und Hochbahnen zudem als die effizientere Lösung angesehen, weil sie mehr Passagiere befördern konnten. Der Beschluss zur sukzessiven Aufgabe der Hamburger Straßenbahn wurde dann 1958 gefasst. Bis zur vollständigen Abwicklung des ganzen Straßenbahnnetzes dauerte es immerhin aber noch 20 Jahre. Das endgültige Begräbnis fand schließlich in den 1970er Jahren unter der Regierung von Bürgermeister Hans-Ullrich Klose (SPD) statt. In dieser Zeit war der ursprünglich großzügig geplante Ausbau des U-und Hochbahnnetzes ins Stocken geraten, weil inzwischen die Geldmittel dafür fehlten. Eine damals schon konkret geplante U-Bahn-Linie U4 Sengelmannstraße – City Nord – Winterhude – Innenstadt – St. Pauli – Altona – Osdorfer Born konnte nicht mehr gebaut werden und ist heute nur noch an drei eigentlich zu groß geratenen Bahnhöfen mit zumeist leeren Bahnsteigen in der Sengelmannstraße, am Hbf-Nord und am Jungfernstieg zu erkennen. 

Straßenbahn Hafen 1900

Bei Klose und Kollegen kamen aber doch Zweifel auf, ob die Abschaffung der Straßenbahn wirklich der richtige Weg war und sie dachten daran, die Reste des noch vorhandenen Straßenbahnnetzes zu bewahren und zu sanieren. Inzwischen war aber das Schienennetz und der Fuhrpark mangels Pflege schon so weit heruntergekommen, dass auch die Sanierung und Reaktivierung der Straßenbahn angesichts der schlechten Haushaltslage schon zu teuer war.

So folgten Klose und der Hamburger Senat den damaligen Verkehrsgutachten, die die Auflösung der Straßenbahnen für „verkehrswirtschaftlich unumgänglich“ hielten. Das entsprach dem Zeitgeist jener Jahre und auch in anderen Städten verschwanden die Straßenbahnen oder waren schon verschwunden. In Westberlin beispielsweise wurde die letzte Straßenbahn-Linie 1967 eingestellt. Aber auch in Metropolen wie New York, London oder Paris hieß es „Weg mit der Straßenbahn, Bahn frei für den Autoverkehr“.

Am letzten Betriebstag der Hamburger Straßenbahn, dem 30. September 1978, durften die Hamburger Bürger mit den letzten Bahnen der Linie 2 noch einmal kostenlos von Schnelsen über Lokstedt zum Rathausmarkt fahren. 300.000 Hamburger machten von dem Angebot Gebrauch und sagten auf diese Weise „Tschüss“ zu ihrer Straßenbahn.  Bürgermeister Klose hatte an jenem denkwürdigen letzten Betriebstag der Hamburger Straßenbahn aber immer noch ein ungutes Gefühl und war sich, so berichteten die Medien damals, nicht sicher, ob die Abschaffung dieser Institution nicht doch ein Fehler gewesen sein könnte. Zu spät. Busse übernahmen die Aufgaben der Straßenbahn und quälten sich durch die Hamburger Hauptverkehrsadern. Statt den sauberen Elektromotoren der Straßenbahnen pusteten von nun an Tausende von Dieselbusmotoren ihren Feinstaub auf die Hamburger Straßen und in die Lungen der Hamburger Bürger.

Pferdebahnwagen der Hamburg-Altonaer Pferdebahn-Gesellschaft neben dem Gewerbemuseum in der Brockestraße um 1890
Ohlsdorf

Die Geschichte des öffentlichen Nahverkehrs in Hamburg reicht bis in die 1830er Jahre zurück. Mitte der 1830er Jahre fuhren erste Pferdebusse, mit Kastenwagen für 12 Personen, gezogen von zwei Pferden, in unregelmäßigen Abständen und ohne feste Haltestellen von der Hamburger Innenstadt nach Wandsbek und Horn.  Am 30. Oktober 1893 wurde dann das erste Hamburger Pferde-Omnibus-Unternehmen „Basson & Co“ gegründet, das mit anfangs vier Pferdebussen einen regelmäßigen Linienverkehr anbot. Die Pferdebusse fuhren in halbstündigen Abständen vom Schweinemarkt (am Hauptbahnhof gelegen) über das Millerntor bis ins dänische Ausland nach Altona.

Im August 1666 gingen die ersten Pferde-Eisenbahnen in Betrieb. Auf Schienen konnten in größeren Wagen mehr Personen und auch Güter transportiert werden. Die erste Schienenstrecke führte von der Innenstadt nach Wandsbek und war etwa 8 km lang. Organisiert wurde der Betrieb von der „Pferde-Eisenbahn-Gesellschaft in Hamburg“, an der mehrere Hamburger Firmen beteiligt waren. Im ersten Jahr fuhren 16 doppelstöckige Wagen, die jeweils 56 Personen befördern konnten (30 Personen im Untergeschoss, 26 Personen im Obergeschoss, das für weibliche Passagiere verboten war), im Zwölfminutentakt zwischen dem Hamburger Rathausmarkt und dem Zollamt von Wandsbek.

Das Streckennetz der Pferde-Eisenbahn wurde in den folgenden Jahren sukzessive ausgebaut und 1894 gab es in der Hamburger Innenstadt schon eine Ringbahn und Pferdebahnstrecken in alle Richtungen, nach Altona, Langenfelde, Lokstedt, Eppendorf, Ohlsdorf, Wandsbek, Jüthorn, Horn, Hammerbrook, Billwerder und die Veddel. 

Einer der zwischen 1873 und 1877 getesteten Dampftriebwagen
Pferdeomnibus der BOAG

Ein großer Kostenfaktor beim Betrieb der Pferde-Eisenbahn war der Unterhalt der Pferde, weshalb die Pferde-Eisenbahn-Gesellschaft gegen Ende der 1870er Jahre damit begann, mit Dampfmaschinen als Antrieb für ihre Wagen zu experimentieren – mit durchwachsenem Erfolg. Seit den 1870er Jahren gab es in vielen Ländern Versuche, Eisen-und Straßenbahnen mit Hilfe von Elektromotoren anzutreiben. In den 1880er Jahren erzielte Werner von Siemens in Berlin dabei große Fortschritte. 1894 fuhren schließlich die ersten elektrisch betriebenen Straßenbahnen zwischen Hamburg und Altona.

Das Dorf Groß Borstel auf dem Hamburger Landgebiet war lange nicht an den frühen öffentlichen Nahverkehr von Hamburg angeschlossen. Groß Borsteler Bauern, die nach Hamburg wollten, mussten entweder nach Lokstedt zur Haltestation am Gasthaus Museum (ab 1892) oder zum Universitätskrankenhaus Eppendorf (ab 1893) marschieren, um von dort mit einer Bahn in die Innenstadt zu kommen. Und Hamburger, die eines der vielen Groß Borsteler Ausflugslokale oder die Rennbahn besuchen wollten, mussten das letzte Stück zu Fuß gehen.

In der nächsten Ausgabe lesen Sie, wie die Straßenbahn nach Groß Borstel kam und wie sie wieder verschwand.

André Schulz

Mit besten Dank an Manfred Schwanke und Lutz Achilles vom Hamburger Omnibus Verein (http://www.hov-bus.de/) für die Unterstützung mit Informationen und Fotos.