Hans und Anni Glissmann – Verfolgt und geflohen aus Deutschland

Im Gedenken an den 60. Todestag des Malers Friedrich Schaper findet im November eine Veranstaltung in der Haspafiliale Borsteler Chaussee statt. In Groß Borstel lebte und arbeitete zur selben Zeit wie Schaper auch das Ehepaar Glissmann.

glissmann-1Der Hamburger Hans Glissmann (1894-1956) studierte an der Kunstgewerbeschule bei Johann Michael Bossard (1874-1950) im Meisteraltelier Bildhauerei. 1924 heiratete er seine Kommilitonin, die Graphikerin und Kunstgewerblerin Anni Jakoby (1900-1959). Gemeinsam bezogen sie Wohnung und Atelier in Groß Borstel im Brödermannsweg 47. Sie arbeiteten für verschiedene Architekten und für die Stadt Hamburg. Hans Glissmann war ein angesehener Bildhauer in den 1920er und frühen 1930er Jahren. Er führte beispielsweise Aufträge für den Oberbaudirektor in Hamburg Fritz Schumacher (1864-1947) aus. Anni leistete gestalterische Arbeiten an Bauten, entwarf und bemalte Service für Privatkunden und übernahm graphische Aufträge für Werbefirmen. Beide waren sehr erfolgreich; es ging ihnen gut.

Mit der Machtübernahme 1933 blieben die Aufträge wegen Annis jüdischer Herkunft aus, die Wirtschaftslage des Ehepaares war bald dramatisch, denn Hans Glissmann weigerte sich, in eine Scheidung einzuwilligen. Ihm wurde dann im April 1938 von der Reichskulturkammer ein Berufsverbot erteilt. Anni Glissmann emigrierte zunächst zu ihrer Schwester in die Niederlande. Sie erkrankte dort schwer, konnte aber 1939 nach Schottland weiterreisen. Hier arbeitete sie als Dienstmädchen bei Professor Sinclair. Ihm ist es zu verdanken, dass Hans ebenfalls nach Edinburgh ausreisen konnte. Aber 1940 musste das Ehepaar Glissmann Schottland verlassen und übersiedelte nach London, 22 Westbourne Terrace Road.

Anni arbeitete in unterschiedlichen Berufen: Federarbeiterin, Zahnarzthelferin, Lampen-schirmnäherin, Glasmalerin. Hans fertigte als Dekorateur Schaufensterpuppen für das bekannte Warenhaus Harrod’s, war Wagenwäscher und in den Jahren 1954/55 halbtags als Packer tätig. Am 27. November 1956 starb er an Lungenkrebs im Alter von 62 Jahren in London. Anni hatte ihn bis zuletzt gepflegt und nach seinem Tod einen Selbstmordversuch unternommen, von dem sie sich nicht mehr erholte. Schulden und Rückzahlungsverpflichtungen von Krediten zehrten die Leistungen der Wiedergutmachung auf.

Sie war ab 1955 nicht mehr arbeitsfähig, litt durch die Diskriminierung und Verfolgung des NS-Regimes an Depressionen, Zwangsvorstellungen und Herzbeschwerden. Am 15. September 1959 starb Anni Glissmann im Alter von 59 Jahren in Villingen/Schwarzwald.

Der Bildhauer Hans Glissmann starb ebenso wie Friedrich Schaper 1956, so dass die Groß Borsteler im November 2016 ebenfalls seines 60. Todestages gedenken sollten.

B.P.