Initiative Marcus und Dahl – zehn Jahre reiche Kulturarbeit

Vor etwa 10 Jahren erreichte den Groß Borsteler Kommunalverein eine Anfrage von einer Galerie in Stockholm, ob man Interesse hätte, ein Kunstwerk des berühmten Stockholmer Künstlers Gert Marcus zu erwerben – denn er sei ja in Groß Borstel geboren. Tatsächlich war dies in Groß Borstel überhaupt nicht bekannt, ebenso wenig wie die musische Laufbahn seines Bruders Ingolf Dahl, der den Namen seiner schwedischen Mutter angenommen hatte. Wegen der jüdischen Herkunft ihres Vaters waren die Brüder schon 1933 nach der Machtergreifung der Nazis mit ihrer Mutter nach Schweden emigriert. Der Vater folgte später. Gewohnt hatte die Familie zuvor erst in der Köppenstraße, dann im Holunderweg. Aus der Anfrage heraus entstand ein intensiver Kontakt mit der Familie Marcus in Stockholm, und es gründete sich der Verein „Initiative Marcus und Dahl“ (IMUD) mit der Idee und dem selbstgestellten Auftrag, ein Kunstwerk des vertriebenen Künstlers Gert Marcus in Groß Borstel zu installieren. Darüber hinaus wollte man mit Kulturveranstaltungen die vertriebenen Künstler, aber auch alle anderen Kunstschaffenden in und aus Groß Borstel würdigen.

Das zweite Vereinsziel gelang prächtig. Seit der Gründung organisierten die „Kunstaktivisten“ der IMUD über 30 große Veranstaltungen, Vorträge, Ausstellungen, Filmabende und Konzerte, meist im Stavenhagenhaus, aber auch anderswo, zum Beispiel im Ernst-Deutsch-Theater. Auf der Webseite des Vereins (www. marcus-und-dahl.de) findet man eine Liste mit detaillierten Informationen. Auf Initiative der Kunsthistorikerin Birgit Pflugmacher gab die IMUD zudem zwei beeindruckende Bände, Künstlerkolonie Groß Borstel Band 1 (vergriffen) und Band 2, mit Portraits von bildenden Künstlerinnen und Künstlern heraus, die einst in Groß Borstel gelebt und gearbeitet haben.

In Anknüpfung an diese Bücher rief der in Groß Borstel wohnende Galerist Rolf-Jürgen Brüß in den letzten beiden Jahren einen Stammtisch mit vielen noch aktiven Groß Borsteler Künstlern ins Leben und organisierte mit einigen der bildenden Künstler am 2. und 3. November anlässlich von Gert Marcus 110ten Geburtstag im Stavenhagenhaus eine Ausstellung mit Werken dieser Künstler. Mit Bezug auf Gert Marcus‘ Theorie der „Farbräume“ wurden alle Räume im Haus mit den Kunstwerken individuell gestaltet. Der NDR hatte die Ausstellung im Lokalfernsehen angekündigt und so besuchten etwa 700 Kunstinteressierte die Vernissage und die Ausstellung an diesem Wochenende.

Die Ausstellung „Farb-Räume“ war der farbenfrohe Ausklang einer langen imposanten Veranstaltungsreihe der IMUD. Tatsächlich wird der Verein seine Aktivitäten nun aber bald einstellen. Heio Nölke hat den Verein als Herzensangelegenheit über die gesamte Zeit als Vorsitzender mit großem Elan und persönlichem Einsatz geführt und war bei nahezu allen Veranstaltungen als Hauptorganisator beteiligt. Der plötzliche Tod seiner Mitstreiterin Birgit Pflugmacher 2023 hinterließ eine große Lücke. Heio Nölke wollte zudem sein Amt an Jüngere übergeben. Doch die Suche nach einem Nachfolger oder einer Nachfolgerin, der oder die seine Aufgaben übernehmen wollte, war vergeblich.

Françoise Ribeyrolles-Marcus Witwe von Gert Marcus

Darüber hinaus wurde klar, dass der ursprüngliche Auftrag des Vereins, in Groß Borstel ein Kunstwerk des vertriebenen Künstlers Gert Marcus aufzustellen, wohl nicht realisiert werden könnte. Das Projekt scheiterte nicht etwa an der Finanzierung, sondern an bürokratischen Bedenken, Hürden und Hindernissen.

Aus den genannten Gründen beschlossen die Mitglieder der IMUD Mitte November auf Vorschlag des Vorstandes die Auflösung des Vereins. Auch die ordnungsgemäße Abwicklung der Auflösung eines Vereins ist in Deutschland übrigens ein umfangreiches bürokratisches Projekt, das noch einige Kraft der Vorstandsmitglieder erfordern wird.

Die IMUD wird noch ein Jahr bestehen, bevor sie vollständig abgewickelt ist, und es sind auch noch einige Veranstaltungen geplant, im März ein weiterer Alfred Erhardt Filmabend, im Mai eine Veranstaltung zusammen mit Denkmal am Ort und am letzten Juni-Wochenende die „musikalischen Sommertage“, zusammen mit dem Kommunalverein und den Freunden des Stavenhagenhauses.

Auch wenn die IMUD als Verein nicht mehr existiert, werden die kulturinteressierten Mitglieder sich sicher weiter engagieren. Und der Kommunalverein, die Freunde des Stavenhagenhauses und die Kirchengemeinde St. Peter werden weiter für ein reichhaltiges Kulturangebot in Groß Borstel sorgen.

Rolf-Jürgen Brüß