Kommunal-Verein im Dilemma oder Chancen für einen Neustart? # 2
„Da steh ich nun, ich armer Tor, und bin so klug als wie zuvor.“, lässt Goethe seinen Faust in der Tragödie erster Teil im vierten Kapitel sagen. Dem können sich die Teilnehmenden der zweiten Diskussion zur Zukunft des Kommunalvereins (KV) in Bezug auf ihre Ergebnisse nicht anschließen. Man traf sich am 20.10.2016 im Stavenhagenhaus, um die erste Gesprächsrunde vom 08.09.2016 fortzusetzen. Ausgangspunkt aller Überlegungen ist die bisher vergebliche Suche nach einer Kandidatin oder einem Kandidaten für das Amt des 1. Vorsitzenden, das im Februar 2017 neu zu besetzen ist. Darüber hinaus stehen weitere Vorstandsposten zur Nachbesetzung an. Zu der zweiten Runde waren alle Groß Borsteler eingeladen, mitzutun, und – ick kieke, staune, wundere mir“ – einer kam auch über den ursprünglichen Kreis hinaus.
Nun ging es in der zweiten Beratung nicht vordergründig um die Kandidatenfindung. Es hatte sich eigentlich schon beim ersten Mal abgezeichnet, dass der KV unter einem Modernitätsdefizit leidet und dass alle Bemühungen um Kandidatinnen und Kandidaten für Vorstandsposten mit einer inhaltlichen und strukturellen Erneuerung des altehrwürdigen Vereins beginnen sollten. Offensichtlich gelingt es mit den vorhandenen Aktivitäten und Organisationsformen eher schlecht als recht, bestimmte Zielgruppen für den KV und seine Arbeit zu erwärmen. Gedacht werden muss in erster Linie an die Jugend, an diejenigen, die mitten im Leben stehen und vielleicht auch Kinder großziehen, sowie ein wenig auch die jungen Alten (Frührentner und Personen, die gerade erst in den Ruhestand übergegangen sind).
Vor diesem Hintergrund konzentrierte sich die Diskussion am 20.10. im Wesentlichen auf drei Aspekte des Vereinslebens: Mitgliederversammlungen, Kommunikation und Wünsche der Mitglieder an den KV.
Weiterentwicklung der Mitgliederversammlungen: Der KV kann stolz darauf sein, monatliche Mitgliederversammlungen durchzuführen, die jeweils von dreißig bis fünfzig Mitgliedern besucht werden. Er steht damit unter den Hamburger Bürgervereinen allein auf weiter Flur. Die meisten haben schon Probleme, ihre Jahreshauptversammlung vernünftig hinzubekommen. Doch darf auch nicht übersehen werden, dass die Teilnahme an den Mitgliederversammlungen trotz stetig steigender Mitgliederzahlen stagniert und dass es kaum gelingt, Repräsentanten der o.g. Gruppen dauerhaft einzubinden. Andererseits, so ergab die Diskussion, ist die Anzahl der Teilnehmenden und auch deren Vielfältigkeit bei thematisch aufgerichteten Mitgliederversammlungen oder, wenn sich etwa neue Amts- und Würdenträger der Mitgliedschaft vorstellen, deutlich größer. Es war deshalb naheliegend, dem Vorstand zu empfehlen, der inhaltlichen Ausrichtung der Mitgliederversammlungen in Zukunft erkennbar mehr Gewicht zu verleihen. Darüber hinaus sollte – soweit möglich – auch Repräsentanten von Organisationen, Einrichtungen und Behörden, die für Groß Borstel von Bedeutung sind, verstärkt Gelegenheit zur Vorstellung ihrer Arbeit und zur Diskussion mit der Mitgliedschaft auf Mitgliederversammlungen gegeben werden. Dabei könne gegebenenfalls, so die einhellige Meinung der Gesprächsrunde, der übliche Berichtsteil auch einmal entfallen oder sehr kurz gehalten werden.
Erweiterung der Kommunikation: „Tue Gutes und sprich darüber!“ lautet der erste Grundsatz der Öffentlichkeitsarbeit. Wie nun spricht der KV mit seinen Mitgliedern und mit der Öffentlichkeit, fragten sich die Teilnehmer der Diskussionsrunde, und was könnte man daran verbessern bzw. erneuern? Das hergebrachte Standbein der Kommunikation zwischen KV und Umwelt ist das Mitteilungsblatt „Groß-Borsteler Bote“. Die rechtliche Konstruktion, die Ende der achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts für die Herausgabe des Boten gefunden wurde, hat bis heute Bestand und für den KV den erheblichen Vorteil, von geringen Ausnahmen einmal abgesehen nicht mit Kosten verbunden zu sein. Layout und Druck tragen sich durch die Anzeigeneinnahmen, Beiträge und Redaktion erfolgen ehrenamtlich. An diesem bewährten Konstrukt zu rütteln, will wohlüberlegt sein. Dennoch gab es in der Runde deutliche Befürworter dafür, auch den Boten in die Innovationsstrategie einzubeziehen und dem Vorstand zu empfehlen, die dafür notwendigen Gespräche mit allen Beteiligten zu führen.
Im Frühherbst 2001 ging der KV mit einem ersten Netzauftritt online. Damit war ein wichtiger Schritt in die Welt der virtuellen Kommunikation getan. Wenngleich es sich zunächst nur um eine Einweg-Kommunikation handelte, konnte man von da ab quasi tagesaktuell über Ereignisse, die Groß Borstel betrafen, und über Veranstaltungen berichten. Auch die weitere Entwicklung der virtuellen Welt zum Web 2.0 machte der KV mit. Heute verfügt er nicht nur über die Möglichkeit, den Großteil seiner Mitgliedschaft direkt durch einen E-Mail-Verteiler anzusprechen, sondern ebenso über eine Facebook-Seite den Austausch zu pflegen. Doch auch auf diesem Feld gibt es Weiterentwicklungsbedarf, so stellte, die Gesprächsrunde fest, und empfiehlt dem Vorstand, entsprechend tätig zu werden. Die technischen Lösungen, mit denen man arbeitet, könnten verbessert werden. Auch die Nutzung und die Pflege der Kommunikation mit neuen Medien wären durchaus intensivierbar.
Fokus-Gespräche: Zum Thema „Kommunikation mit der Mitgliedschaft“ gehört auch das Bemühen, genauer herauszufinden, was die Mitglieder eigentlich vom KV erwarten, was anders gemacht werden sollte, was erneuerungsbedürftig ist und wie viel Engagement man bereit ist, dem KV zu widmen. Dazu ist von der empirischen Sozialforschung ein Instrument entwickelt worden, das sich Fokus-Gruppe nennt und bei dem es um moderierte Gespräche mit ausgewählten Personen bestimmter Adressatengruppen geht. Der Vorstand, so die Empfehlung der Gesprächsrunde am 20.10., sollte Fokus-Gespräche zunächst auf die Gruppe derjenigen, die mitten im Leben stehen, und auf die Gruppe der jungen Alten konzentrieren. Ob der KV wirklich der richtige Ort für die Jugend sein kann, blieb zweifelhaft.
Abschließend waren sich alle Gesprächsbeteiligten einig, dass der Weg der Erneuerung des KV fortgesetzt werden muss und wohl nicht bis zur Neuwahl des Vorstands im Februar 2017 abgeschlossen werden kann. Für den Posten der oder des 1. Vorsitzenden ist also mindestens eine Interimslösung vonnöten, die noch nicht gefunden worden ist.
Die Gruppe wird sich am Montag, 05.12.2016, 17 Uhr, im Stavenhagenhaus das nächste Mal treffen. Wieder ist der Termin offen für Interessierte, die bisher nicht dabei waren. Sie sind herzlich zur Teilnahme eingeladen.
Helmut Vogt