Normal: Fahrbahnradeln

Bekanntlich sind die Radwege der Borsteler Chaussee in einem bedauernswert schlechten Zustand. Sie sind viel zu schmal zum Radfahren und teilweise durch Baumwurzeln beschädigt, sodass sie nicht sicher sind. Zur Unfallvermeidung müssten eigentlich alle Radfahrer auf die Fahrbahn gebeten werden. Doch wer traut sich das?

Die sogenannte Gesprächsgruppe traut sich. Sie kam deswegen auf die Idee, das Fahrbahnradeln im Berufsverkehr auszuprobieren. Die Gesprächsgruppe traf sich am 10. April um 16 Uhr mit etwa 10 Radfahrerinnen und Radfahrern unterschiedlichen Alters. Konrad Stege, einer der Akteure: „Wir wollen keine Demo veranstalten mit Transparenten und dergleichen, wie im letzten Sommer, sondern die Fahrbahn als ganz normale Verkehrsteilnehmer im Berufsverkehr benutzen. Wir beachten selbstverständlich den seitlichen Sicherheitsabstand von 1,5 Metern zu parkenden Autos, sodass nichts passieren kann, wenn einer oder eine mal unachtsam ausparken sollte.“

1,5 Meter ist bei einer Fahrstreifenbreite von 3,5 Meter in etwa die Mitte. Dazu gehört Mut. Obwohl das Fahren so vollkommen korrekt und legal ist, wenn – wie in der Borsteler Chaussee – von der Straßenverkehrsbehörde keine Radwegbenutzungspflicht angeordnet worden ist (Rundes blaues Verkehrsschild mit weißem Fahrrad), fühlten sich einige wenige Autofahrer provoziert. Sie hupten wutentbrannt oder missachteten ihrerseits beim Überholen den seitlichen Mindestabstand – mindestens eine Ordnungswidrigkeit, wenn nicht gar das verkehrswidrige Verhalten bei zu engem Vorbeifahren als Straftat gewertet werden könnte (Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr, Nötigung).

Viele Autofahrer scheinen nicht zu wissen, dass es sogar erlaubt wäre, mit einem Handwagen die Fahrbahn zu benutzen. Die Älteren unter uns erinnern sich noch an die sogenannten Schottschen Karren, große Handwagen, die in den 50er-Jahren sehr häufig im Straßenbild angetroffen wurden.

Was soll die Aktion bringen? Die Gruppe will Tempo 30 in der Borsteler Chaussee erreichen. Einerseits wegen der besseren Aufenthaltsqualität, der geringeren Gesundheitsbelastung durch Lärm und Luftschadstoffe und mehr noch wegen der Sicherheit der Radfahrerinnen und Radfahrer. Dass Tempo 30 die Verkehrsleistung einer Straße nicht vermindert, sondern die Sicherheit deutlich erhöht, bei weniger Lärm- und Gesundheitsbelastungen, ist unter nahezu allen Verkehrswissenschaftlern eine Binsenweisheit.

Staus sind trotz des Berufsverkehrs durch die Fahrbahnradler jedenfalls nicht entstanden. Die Polizei musste nichts regeln. Einzelne Autofahrer könnten jedoch Nachhilfe in der Fahrschule gebrauchen.

Text und Foto: Uwe Schröder