Stolpersteine in Groß Borstel – Meier Ohlhausen
„Er musste sich melden!“
Als ein ehemaliger Groß Borsteler, inzwischen über 90jährig, von den Recherchen zur Emigration der Familie Dr. Marcus aus der Frustbergstrasse in den 1930er Jahren von mir erfuhr, erinnerte er sich: “… bei uns im Moorweg 6 ist damals auch einer ohne seine Frau auf einmal weg gewesen. Wir nannte ihn nur „Mauritze“. Als wir zu Hause meine Eltern danach fragten, hieß es nur ‘Er musste sich melden!’. Mehr kam nicht. Mehr fragte man dann auch nicht. Mehr weiß ich auch heute nicht mehr“.
Mit dieser mehr als dürren Information begab ich mich zunächst allein in alten Hamburger Adressbüchern auf die Suche nach einem Mauritze. Irgendwann stieß ich dann nach einigen Wirrungen und Irrungen auf den Namen Maurice (lautschriftlich Mauritze) Ollhouse/Meier Ohlhausen – Moorweg 6/ Borsteler Chaussee 160. Und …ich fand ihn ebenfalls auf der Deportationsliste für die Deportation in das KZ Theresienstadt am 26.02.1943, Zug VI/3, Nr.50!
Hieraus wurde dann in Zusammenarbeit und mit fachkundiger Unterstützung von Frau Maria Koser vom Stadtteilarchiv Eppendorf e.V. ein Projekt für einen weiteren Stolperstein in Groß Borstel. Das Leben und brutale Ende unseres ehemaligen Groß Borsteler Mitbürgers Ohlhausen lässt sich wie folgt skizzieren:
1864 geboren als Kind jüdischer Eltern in Hochhausen (Neckar)
1874 Emigration in die USA
1930 Rückkehr nach Deutschland und Wohnsitz in Hamburg
1937 Kauf eines Einzelhandelsgeschäftes in Groß Borstel
1942 Kurzeitige Inhaftierung im Konzentrationslager Fuhlsbüttel
1943 Deportation (26.02.1943) und Tod in Theresienstadt (20.03.1943)
Meier Ohlhausen wird am 16.01.1864 in Hochhausen am Neckar als Sohn jüdischer Eltern – Vater: Leopold Ohlhausen; Metzger, und Mutter Annette Ohlhausen, geborene Kochenthaler – geboren. Sein Vater hatte 2 Jahre vor seiner Geburt das Badische Bürgerrecht erworben. Die Eltern geben ihrem Sohn den jüdischen Vornamen Meier (auch Maier und Meir) (hebräisch: meˈʕir), was soviel wie „der Erleuchtete“ heißt.
Mit zehn Jahren wandert Meier Ohlhausen 1874 in die USA aus (die genaueren Umstände seiner Auswanderung konnten bisher nicht recherchiert werden) und lebt dort bei seinem Onkel und seiner Tante, dem Ehepaar Lohmann, in Omaha, Nebraska. In den USA nennt er sich dann Maurice Ollhouse. Als Verkäufer im Einzelhandel für Handwerksartikel wird er bald schon erfolgreich, so dass ihn seine Tante, Sophie Lohmann, nach dem Tod ihres Ehemannes, einem erfolgreichen Inhaber eines Juweliergeschäftes, mit ihrer Vermögensverwaltung betraut. Beim Tod seiner Tante im Jahre 1928 wird er deren Testamentsvollstrecker und Erbe.
Nach Abwicklung der Erbschaftsangelegenheiten kehrt er wohlhabend im Jahre 1930 als 66- Jähriger nach Deutschland zurück und lässt sich in Hamburg als Pensionär nieder. Er investiert sein ererbtes Vermögen in Aktien, Hypotheken und Grundstücke und lebt zusammen mit seiner Frau Gertrud, die er hier bald nach seiner Rückkehr kennengelernt und am 30. Juli 1931 geheiratet hatte, zunächst von den Erträgen seiner Finanzanlagen.
Die wirtschaftliche Entwicklung und auch das politische Umfeld der dreißiger Jahre reißt jedoch schon bald sehr große Löcher in das Vermögen von Meier Ohlhausen, so dass er zur Absicherung des Lebensunterhaltes im Jahre 1937 auf den Namen seiner nichtjüdischen evangelischen Ehefrau ein Kaffee- und Konfitürengeschäft an der Borsteler Chaussee 160 erwirbt. Beide sind hier tätig, wobei er im Hintergrund bleibt. Damit verbunden ziehen sie nach mehrmaligen Wohnortwechseln innerhalb Hamburgs in die zum Geschäft gehörige Wohnung unter der Adresse Moorweg 6. Das Geschäft sichert damit zunächst die Existenzgrundlage des Ehepaars.
Doch der politische Verfolgungsdruck auf die jüdische Bevölkerung zeigt auch hier seine Wirkung. Nach Hausdurchsuchungen und Vorladungen durch die Gestapo wird Meier Ohlhausen am 5. Mai 1942 verhaftet. Auf massiven Druck der Behörden reicht Gertrud Ohlhausen kurzfristig die Scheidung ein; die Ehe wird daraufhin schon am 13.August 1942 geschieden. Meier Ohlhausen wird zwar wieder aus der Haft entlassen, muss aber bis zu seiner Deportation am 26. Februar 1943 in das KZ Theresienstadt in verschiedenen sogenannten Judenhäusern in Hamburg leben. Seine nun geschiedene Frau, die ihn nicht mehr treffen darf, versorgt ihn bei heimlichen Treffen in der Zeit mit Geld und Nahrungsmitteln.
Am 26. Februar 1943 (Zug VI/3, Nr.50) wird Meier Ohlhausen in das Ghetto Theresienstadt deportiert, wo er nur drei Wochen später, am 20. März 1943 umkommt . Von den 50 Juden dieser Transportliste überleben nur elf. Seine Witwe erfährt erst 1945 von Überlebenden des Ghettos Theresienstadt vom Tod ihres Mannes.
Ihr Geschäft wurde auf behördliche Anordnung am 12. April 1943 geschlossen und die Räume wurden dann von der NSDAP als Lager genutzt. Die Scheidung wurde am 25. April 1956 annulliert, da sie erzwungen worden war.
Das von der Witwe nach dem Ende des Krieges eingeleitete Entschädigungsverfahren gestaltete sich als zäh und langwierig. Das nach Ende der Nazi-Herrschaft wiedereröffnete Geschäft musste bald aufgegeben werden. Im März 1954 gibt sie ihre Wohnung in Groß Borstel auf und lebt von Sozialhilfe.
Der Stolperstein für Meier Ohlhausen wurde in diesen Tagen an der Borsteler Chaussee 160 gesetzt und an sein Schicksal wird im Rahmen einer Regionalen Andacht zum Gedenken an die „Reichspogromnacht“ am 9.11.2016 um 18:00 Uhr in St. Peter erinnert.
Maria Koser und Wolfgang Jäger