FASZINATION TIDEELBE
Ein Vortrag von Manfred Braasch
Aus Tschechien im Riesengebirge kommend, fließt die Elbe über 600 Kilometer frei ohne menschengemachte Hindernisse bis nach Geesthacht. Nach der Staustufe in Geesthacht beginnt sie dann, die Tideelbe. Das Ästuargebiet, also die Flussmündung bis in die Nordsee, erstreckt sich 142 Kilometer bis Cuxhaven ins Wattenmeer. In diesem Abschnitt durchfließt sie drei Bundesländer und kommt an ihrer breitesten Stelle zwischen Brunsbüttel und Cuxhaven auf fast 15 Kilometer Ausdehnung.
Es gibt insgesamt nur vier Ästuare in Deutschland. Die Eider, die Elbe, die Weser und die Ems, wobei die Elbe von ihnen mit Abstand das Größte ist. Die seltene trichterförmige Flussmündung entwickelt sich nur an Meeren mit starken Gezeiten, wie z.B. der Nordsee. Zwei Mal am Tag kommt die salzhaltige Meeresflut und lässt das Wasser im Fluss stromaufwärts fließen. So entsteht ein Fluss mit Ebbe und Flut, mit Tide eben.
Das Hochwasser macht den Fluss breit und überflutet die Wattflächen, bei Niedrigwasser sinkt der Pegel, der Fluss wird schmaler, ausgedehnte Wattflächen erscheinen an den Ufern und das Süßwasser fließt wieder seewärts. Die natürliche Tide schafft so ein dynamisches Gleichgewicht zwischen ein- und ausgetragenem Sediment und lässt eine Mischzone aus Salz- und Süßwasser entstehen. Diese Brackwasserzone geht bis ca. Lühe, knapp unterhalb von Wedel bei Stromkilometer 650, wobei die Grenze niemals fest benannt werden kann, da die Gezeiten und andere Ereignisse, wie Süßwassereintrag durch starken Regen, sie immer wieder in die eine oder andere Richtung verschieben.
Die einzigartige Mischung aus Salz- und Süßwasser im Ästuargebiet bildet verschiedene Lebensraumzonen: Der Süßwasserbereich wird limnische Zone genannt und definiert sich durch einen Salzgehalt von weniger als 0,5 Promille. Hier fühlen sich die Süßwasserarten wohl. Das Gegenteil, der Meerwasserbereich, wird polyhaline Zone genannt und ist alles über 18 Promille Salzgehalt. Vor allem marine Bewohner der Nordsee sind hier zu finden. Dazwischen, von 0,5 – 18 Promille, befindet sich die Mischungszone, das Brackwasser, das nochmal in einzelne Zonen unterteilt wird. Sein sehr stark schwankender Salzgehalt erlaubt nur wenigen speziell angepassten Arten, hier zu leben und schafft so ein ganz besonderes Ökosystem.
Überhaupt entstehen durch die Tide in der Elbe erstaunlich unterschiedliche Lebensräume und das nicht nur im Wasser. Weite Wiesen, helle Sandstrände, flache Tümpel und die größten zusammenhängenden Tideauwälder Europas säumen ihre Ufer, und sowohl Mensch als auch Natur profitieren davon: Intakte Flussauen sind artenreiche Lebensräume, natürlicher Hochwasserschutz sowie Erholung und Entspannung für Anglerinnen, Badende oder Bootsfahrerinnen in Einem.
Manfred Braasch: „Die Elbvertiefung ist gerade aus heutiger Sicht weder ökologisch noch ökonomisch vertretbar. Die Tideelbe hat sich seit Beginn der Planungen vor 15 Jahren deutlich verändert. Wir gehen daher davon aus, dass die ökologischen Folgen der geplanten Vertiefung deutlich größer ausfallen. In Bezug auf die Kosten bewegen wir uns auf eine Milliarde Euro zu, obwohl die Alternativen in Form einer norddeutschen Hafenkooperation auf der Hand liegen.“
Manfred Braaschs Vortrag zur Tideelbe sollten Sie nicht verpassen: am Mittwoch, 08. Januar, 19.30 Uhr (nach der Mitgliederversammlung) im Stavenhagenhaus.
Text: BUND Hamburg | Fotos: Rüdiger Nebelsieck