Vögel in Gross Borstel
Der Zwergtaucher
Er ist die kleinste heimische Art in der Familie der Lappentaucher (Podicipedidae): Der in Eurasien und Afrika verbreitete Zwergtaucher (Tachybaptus ruficollis). Obwohl die Vögel in Europa relativ häufig vorkommen, werden sie wegen ihres unauffälligen Gefieders und der – insbesondere während der Brutzeit – sehr versteckten Lebensweise leicht übersehen. Der Bestand in Deutschland wird auf bis zu 8000 Brutpaare, in Hamburg auf bis zu 20 Brutpaare geschätzt. Hier besiedelt der Vogel vor allem kleine und flache Gewässer. Im Raum Groß Borstel kann man den Zwergtaucher im Eppendorfer Moor, Eppendorfer Mühlenteich und in der Tarpenbek nahe dem Mühlenteich beobachten. Allerdings ist er ein sehr scheuer Vogel, der bei der kleinsten Störung abtaucht und sich unter überhängender Ufervegetation versteckt.
Zwergtaucher haben einen rundlich gedrungenen Körper mit einer Länge bis zu 29 cm und einer Flügelspannweite zwischen 40 und 45 cm. Männchen und Weibchen sehen nahezu gleich aus. Die Männchen sind lediglich etwas größer und haben kräftigere Schnäbel. Die Vögel mausern zwischen Januar und April ins Prachtkleid: Die Körperoberseite der Vögel ist schwarzbraun. Hinterhals und Oberkopf sind schwarz bis schwarzbraun. Kehle, Wangen, Halsseiten und Unterhals präsentieren sich rotbraun, die Körperseiten schwarzbraun und dabei hell gestrichelt. Die Körperunterseite glänzt weiß und weist einige schwärzliche Töne auf. Die Unterflügel sind weiß und die Schwungfedern dunkelbraun mit einem hohen Weißanteil, wodurch die angelegten Flügel einen weißen Spiegel aufweisen. Der schwarze Schnabel hat eine weiße Spitze, während die Schnabelwinkel mit leuchtendem Grün kontrastieren. Die Iris ist rotbraun, Beine und Füße sind graugrün und weisen Schwimmlappen auf, denen diese Vogelfamilie den Namen „Lappentaucher“ verdankt.
Zwischen August und Oktober mausern die Zwergtaucher ins Schlichtkleid. Jetzt ist das Gefieder unauffälliger, insgesamt heller und die Farben wirken verwaschen. Die Körperseiten sind rauchgrau und die gelbgrünen Mundwinkel fehlen.
In Deutschland sind Zwergtaucher überwiegend Standvögel. Typischerweise bleiben sie innerhalb des Brutgebietes und wechseln lediglich in Frostperioden auf nicht zufrierende Fließgewässer. Als Brutgebiet bevorzugen Zwergtaucher kleinere Stillgewässer oder langsam fließende Bäche und Flüsse mit reichem Insektenleben. Wichtig ist ihnen dabei – auch wegen ihrer ausgeprägten Störungssensibilität – eine großzügige Verlandungszone mit guten Versteckmöglichkeiten in üppiger Ufervegetation. Außerdem schätzen sie eine gut ausgebildete Unterwasser- und Schwimmblattvegetation mit einem großen Vorkommen an Wasserwirbellosen.
Zwergtaucher ernähren sich überwiegend von Insekten, die sie von der Wasseroberfläche aufnehmen, in den oberen Wasserschichten finden oder aus der Luft schnappen. Auch unterschiedliche Weichtiere, Amphibienlarven und Fischbrut stehen auf ihrem Speiseplan. Da die Vögel hervorragende Schwimmer und Taucher sind, verfolgen sie – insbesondere im Winter – auch Fische.
Die Brutzeit der Zwergtaucher liegt zwischen April und Juli. Die Balz findet immer auf dem Wasser statt und fällt auf durch andauerndes Trillern beider Partner, schnelles Entgegenschwimmen, Parallelschwimmen und -tauchen sowie das Präsentieren von Nahrung und Pflanzenmaterial. Die Paarung erfolgt auf dem Nest, das zuvor von beiden Partnern durch Aufeinanderschichten von Pflanzenteilen gebaut worden ist. Es ragt etwa vier Zentimeter aus dem Wasser und hat einen Durchmesser von 20 bis 30 Zentimetern. Das Gelege besteht meist aus vier bis sechs Eiern, die nach der Eiablage weiß sind, sich jedoch später bräunlich umfärben. Die Bebrütung, an der beide Partner beteiligt sind, beginnt unmittelbar nach Ablage des ersten Eis. Verlassen die Eltern während der Brutzeit das Nest, decken sie die Eier mit Pflanzenmaterial zu. Nach einer Brutzeit von 20 bis 21 Tagen schlüpfen die Küken und werden von beiden Elternteilen gefüttert. Gelegentlich tragen die Vögel ihre gestreiften Jungen auf dem Rücken, was allerdings bei Zwergtauchern nicht so häufig zu beobachten ist wie bei Haubentauchern, da die Jungen zum Ruhen bevorzugt das Nest aufsuchen. In einem Alter von 30 bis 40 Tagen sind die Jungvögel selbstständig, bleiben jedoch noch in der Nähe ihrer Eltern, bis sie in einem Alter von 44 bis 48 Tagen flügge werden.
Zu Populationseinbrüchen bei den Zwergtauchern kommt es vor allem in sehr kalten Wintern. Auch spielt die Brutplatzkonkurrenz mit dem Haubentaucher eine Rolle. Raubvögel, Krähen und Möwen rauben Nester aus und häufig werden Küken auch von Hechten gefressen. Nicht unerheblich tragen Störungen durch menschliche Freizeitaktivitäten wie Angeln, Wassersport und Badebetrieb zur Aufgabe eines Brutreviers und sogar zum Verlust der Brut bei.
In der Roten Liste Deutschland wird der Zwergtaucher zwar als „mäßig häufig“ aber zugleich auch als „ungefährdet“ bezeichnet. Im Jahre 1999 kam dem Zwergtaucher eine besondere Ehre zuteil: Er wurde Namensgeber des „Ruficollis“, eines Asteroiden des inneren Hauptgürtels (8587). Somit stieß der Zwergtaucher in Regionen unseres Sonnensystems vor, die nie zuvor ein Vogel gesehen hat…
Text und Fotos: Michael Rudolph