VÖGEL IN GROSS BORSTEL

Die Krähe

Fischmahlzeit zum Dritten: Nach dem Eisvogel im März und der Stockente im April ist es nun die Rabenkrähe, die wir Ihnen als Fisch fressenden Vogel vorstellen. Allerdings hat die Krähe dieses Prachtexemplar nicht lebend gefangen, sondern als Kadaver aus der Tarpenbek gefischt.

Womit wir schon bei dem völlig zu Unrecht schlechten Image der Gattung der Rabenvögel gelandet wären. In der Antike noch als magische und göttliche Vögel verehrt, galten sie im Mittelalter als Vorboten von Unheil, Pest und Tod.

Vieles von dem diesen klugen Vögeln angedichteten schlechten Ruf beruht darauf, dass sie auch Aas fressen. Dass sich Rabenvögel einst ebenfalls an das Fleisch gefallener Soldaten oder gehängter Menschen gemacht hatten, brachte ihnen den Namen „Galgenvogel“ ein. Ob es nun die Begriffe „Galgenvogel“, „Rabeneltern“ oder „Unglücksrabe“ sind – sie entbehren jeglicher biologischen Grundlage und rühren her aus Aberglaube und Mythen.

Doch es gibt positive Beispiele: In christlichen Sagen ist die Krähe der Bote des heiligen Oswald, in Indien begleiten Krähen die Göttin Kali und bei den nordwestamerikanischen Indianerstämmen genießen Rabenvögel bis heute ein hohes Ansehen als gottgleiche Wesen.

Ornithologisch gehört unsere Rabenkrähe wie alle Raben und Krähen in die Familie der Rabenvögel (Corvidae), die wiederum die größten Arten in der Ordnung der Sperlingsvögel darstellen.

Hier in Groß Borstel und der näheren Umgebung werden wir vor allem folgenden Arten begegnen können: Dem Kolkraben als dem größten Vogel dieser Familie, der Rabenkrähe, der Saatkrähe, der Nebelkrähe, der Elster sowie dem Eichelhäher und der Dohle als den beiden kleinsten Vertretern innerhalb dieser Familie.

Von der Rabenkrähe mit schwarzem Schnabel ist die Saatkrähe leicht an ihrem grauen Schnabel zu unterscheiden. Die Saatkrähe ist übrigens der Rabenvogel, der vor seiner Vergrämung in den Bäumen Borsteler Chaussee/Haldenstieg große Brut- und Schlafkolonien gebildet hatte und dort für erhebliche akustische Störungen der Anwohner gesorgt hatte. Die Nebelkrähe unterscheidet sich von der Rabenkrähe und der Saatkrähe dadurch, dass Kopf, Hals, Schwanz und Flügel schwarz sind, der übrige Körper grau. Die Dohle erkennt man an nicht nur an ihrer geringeren Körpergröße von der Rabenkrähe, sondern auch an ihren auffallend hellen Augen, die im Erwachsenenalter weißblaue Irisfarbe.

Historisches Schaubild der Krähenvögel (und der Dünnschnäbler)

Raben und Krähen sind außerordentlich intelligente Vögel. Experimente haben gezeigt, dass sie komplexe Handlungen planen können, dass sie Futterverstecke nur als sicher einstufen, wenn sie beim Verstecken nicht beobachtet werden, und dass sie spannende Praktiken anwenden, um an ihr Futter zu gelangen. Immer mal wieder kann man – zum Beispiel auf den asphaltierten Taxiways, also den Rollbahnen des Hamburger Flughafens – Rabenvögel beobachten, die entweder Walnüsse aus großer Höhe auf den Asphalt fallen lassen, bis die Nussschalen aufplatzen oder darauf warten, dass ein Fahrzeug die Nuss überrollt und dadurch die Schale knackt.

Für diese Vorgehensweise suchen Krähen manchmal sogar gezielt die Fahrstreifen vor Ampelanlagen auf, wissend, dass sie dort bei „Rot“ gefahrlos die geöffneten Nüsse einsammeln können. In Finnland haben Nebelkrähen gelernt, unbeobachtete Angelschnüre von Eisfischern aus dem Wasser zu ziehen, um an den daran hängenden Fisch zu gelangen.

Krähen warten an der Startbahn darauf, dass Fahrzeuge oder Flugzeuge die von ihnen ausgelegten Nüsse knacken


Rabenkrähen sind wendige Flieger und sind mutig. Gerade jetzt zum Beginn der Brutzeit lässt sich immer wieder beobachten, dass in Nestnähe kreisende Bussarde so lange in der Luft attackiert werden, bis sie entnervt weiterziehen.

„Luftkampf“

Auch Teamwork ist zu beobachten: Bussarde oder Seeadler, die am Boden hockend ein Beutetier zerrupfen, werden oft von mehreren Krähen umringt. Eine Krähe zerrt so lange an den Schwanzfedern des Raubvogels, bis dieser sich entnervt umdreht – eine Chance für eine weitere Krähe, schnell einen Teil der Beute zu entwenden.

Und nicht zuletzt zeichnet Rabenkrähen eine lebenslange Partnertreue aus. Auch regelmäßiges gegenseitiges zärtliches Kraulen gehört dazu. Was für ein nachahmenswertes Verhalten!

Text und Fotos: Michael Rudolph

Rabentreue