Vögel in Gross Borstel
Der Grünfink
Beim auch Grünling genannten Grünfink (Chloris chloris) handelt es sich um einen Vogel aus der Familie der Finken und hier aus der Unterfamilie der Stieglitz-artigen. Er kommt in ganz Europa mit Ausnahme von Nordskandinavien vor. Der Bestand in Deutschland wird auf 1,5 bis 2 Millionen und in Hamburg auf 16.500 Brutpaare geschätzt und ist recht stabil. Demzufolge gilt der Vogel als nicht gefährdet.
Der Grünfink, ursprünglich ein Bewohner lichter Baumbestände und Waldränder, hat mit der Zunahme menschlicher Besiedlungen im 19. und 20. Jahrhundert eine kräftige Bestandszunahme erfahren. Er ist inzwischen als typischer Stadtvogel über ganz Hamburg bis in die City verbreitet mit Schwerpunkt in der Gartenstadt. Das Tier ist in Deutschland ein Standvogel, in Skandinavien auch Kurzstreckenzieher. Der Zuzug und Durchzug der nördlichen Populationen beginnt im September, die Heimkehr in die Brutgebiete erfolgt im März und findet im Mai ihren Abschluss. Dabei kann man insbesondere im Winter an Waldrändern sowie in Parks und Gärten größere Schwärme an Grünfinken beobachten.
Mit 14 bis 16 Zentimeter Länge sind Grünfinken so groß wie Buchfinken und Haussperlinge. Das Männchen präsentiert sich im Prachtkleid gelbgrün an Brust und Bauch, am Rücken hingegen moosgrün. An den Handschwingen und seitlichen Schwanzfedern lassen sich leuchtend gelbe Federn erkennen. Das Weibchen ist weniger auffällig und matter, gräulich-grün gefärbt, zeigt schwach gestreifte bräunliche Schultern und hat weniger gelbe Federn an Flügeln und Schwanz. Vögel im Jugendkleid sind gut an ihrer insgesamt helleren Färbung und der deutlich hellgrau gestreiften Brust zu identifizieren. Grünfinken verfügen über einen hellen, sehr kräftigen Schnabel. Daraus kann man schließen, dass sie zu den Körnerfressern gehören. Aber auch andere Sämereien, Knospen, Früchte – insbesondere Hagebutten – und Wirbellose wie zum Beispiel Raupen verschmähen die Vögel nicht.
Das Gesangsrepertoire des lauten, präsenten und an Futterstellen durchaus dominanten Grünfinken ist recht vielseitig. Es besteht sowohl aus einem kräftigen „jüpp-jüpp-jüpp-grüüü“, als auch aus Kanarienvogel-gleichen zwitschernden Gesängen mit vielen Pfiffen und Trillern. Darüber hinaus erzeugt er einen krächzend „dschrüüüüjuh“ klingenden Ton, der an das Geräusch beim Aufziehen einer Uhr erinnert und dem Vogel den Spitznamen „Uhrmacher“ verschafft hat.
Während der Balzzeit im Frühjahr singt das Männchen viel im Flug sowie von hohen Sitzwarten aus. Man kann beobachten, dass es dem Weibchen wiederholt kleine Brautgeschenke bringt, meist Sämereien oder Federn.
Zum Bau eines geschützten Nestes nutzt der Vogel gerne immergrüne Sträucher und Bäume, aber auch Fassadenbegrünungen. In der Innenstadt begnügt er sich durchaus mit einzelnen halbhohen Straßenbäumen. Die napfförmigen Nester werden aus kleinen Zweigen, Moos, Haaren und Federn gebaut.
Grünfinken brüten bis zu zweimal im Jahr in der Zeit von April bis Juni. Dabei legen sie jeweils vier bis sechs weißliche Eier, die 14 Tage lang allein vom Weibchen ausgebrütet werden, das in dieser Zeit vom Männchen mit Nahrung versorgt wird. Bei der Futterübergabe schlägt das Weibchen so mit den Flügeln, wie es später auch bei den um Nahrung bettelnden Nestlingen zu beobachten ist. Die Nestlingszeit dauert 14 Tage. Während dieser Zeit werden die Jungen von beiden Elternteilen mit Nahrung versorgt. In den ersten Tagen nach dem Ausfliegen begleiten die Eltern die Jungvögel noch und führen sie zu Trink- und Futterstellen.
Der Grünfink lebt gefährlich, denn überall lauern tödliche Bedrohungen wie Katzen, Marder, Wanderfalken, Sperber, Elstern, Parasiten und Infektionskrankheiten. Außerdem wurde ab Mai 2009 – insbesondere in Norddeutschland – ein massenhaftes Sterben der Vögel beobachtet.
Ursache sind über Futterstellen und direkte Kontakte übertragene Trichomonadosen, also Infektionen mit den einzelligen Parasiten Trichomonas gallinae. Nach Schätzungen des NABU verendeten bundesweit jährlich mehrere Zehntausend Vögel infolge dieser Erkrankung. Erstaunlicherweise sind aus Hamburg nur wenige Todesfälle durch Trichomonadosen bekannt geworden. Daraus könnte man schließen, dass die hanseatischen Grünfinken ein besonders solides Immunsystem haben müssen. Das raue Hamburger Schmuddelwetter härtet wohl ab.
Michael Rudolph