Vögel in Groß Borstel
Der Uhu
Er ist die größte europäische Eule und ein wirklich imposantes Tier: Sein Verbreitungsgebiet umfasst Nordafrika, Asien und Europa außer England, Irland und Nordfrankreich. In Deutschland wird der Bestand auf 3300, in Hamburg auf 12 Brutpaare geschätzt.
Der Vogel gilt als nicht gefährdet, zählt aber zu den besonders geschützten Arten gemäß Bundesnaturschutzgesetz. Im 19. und noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts galt er insbesondere unter Jägern als Nutztierschädling und wurde deshalb nahezu ausgerottet. So gab es bereits zum Ende des 19. Jahrhunderts in Hamburg keine Uhus mehr. Doch seit Mitte der 1980er-Jahre konnte sich – aufgrund umfangreicher Schutzmaßnahmen und Auswilderungsaktionen – der Bestand deutlich erholen. Aber erst 1993 gelang der erste Hamburger Brutnachweis im Wohldorfer Wald. Inzwischen existieren auch in anderen Teilen der Stadt wieder Brutvorkommen, unter anderem im Klövensteen, Duvenstedter Brook und Ohlsdorfer Friedhof. Diese heutigen Hamburger Bestände sind Nachkommen von in Schleswig-Holstein ausgewilderten Uhus. In Groß Borstel hat es leider bisher keinen Brutnachweis gegeben, allerdings ist der nächstgelegene Uhu-Brutplatz nur ungefähr einen Kilometer entfernt. Da das Jagdgebiet eines Uhus rund 40 qkm umfasst, kann davon ausgegangen werden, dass neben Waldohreule und Waldkauz auch diese Eule in unserem Stadtteil zur Nachtzeit auf der Jagd ist.
Aufgrund der menschlichen Verfolgung war das Vorkommen des Uhus lange Zeit auf die Mittelgebirge und Alpen beschränkt. Durch sein heutiges Verbreitungsgebiet beweist der Vogel seine starke Anpassungsfähigkeit. So leben Uhus sowohl in nahezu baumlosen Steppen und lichten Nadelwäldern als auch in subtropischen Breitengraden, Felswänden, an Meeresküsten und sogar auf Kirchtürmen und Industrieanlagen. Ein für den Uhu ideales Jagdrevier zeigt sich abwechslungsreich strukturiert und ist durchzogen von Baumbeständen, Hecken, Feldgehölzen und offenen Flächen. In Einzelfällen kommt es auch zur Besiedlung von Ballungsgebieten und sogar Städten, wie die Beispiele Hamburg und Helsinki zeigen.
Uhus haben einen kräftigen Körperbau. Sie sind zwischen 59 und 73 Zentimeter lang, ihre Flügelspannweite variiert von 138 bis 170 Zentimeter, wobei die Weibchen deutlich größer als die Männchen sind. Der große Kopf hat auffallende, bis zu acht Zentimeter lange Federohren, die jedoch nicht dem Hören, sondern allein dem Stimmungsausdruck dienen. Das Gefieder zeigt sich am Rücken in warmem Braun und weist dunkle Längs- und Querstreifung auf. Die Vorderseite ist eher beige mit feiner dunkler Strichelung. Die Augen sind orangerot.
Der deutsche Name des Vogels ist vom Balzruf abgeleitet. Dabei wird das dunkle „bu-ho“ des Männchens mit einem helleren „u-hu“ vom Weibchen beantwortet. Häufig hört man beide Partner im Duett.
Auch der Gattungsname „Bubo“ geht auf den Ruf zurück. So ist die Bezeichnung „Uhu“ bereits seit dem 16. Jahrhundert belegt. Dabei konnte sich der ostmitteldeutsche Name „Uhu“ gegenüber dem frühneuhochdeutschen Namen „Huhu“ durchsetzen. Andere regionale Namen sind „Auf“, „Jutzeule“, „Huher“, „Huw“, „Nachthuri“ oder „Adlereule“.
Die auch im Winter sehr standorttreuen Uhus verstecken sich tagsüber in Baumkronen oder Felswänden. Sie sind streng nachtaktive Jäger, die sich vor allem von Säugetieren wie Igel, Hasen, Ratten und Kaninchen, aber auch von Vögeln ernähren. Letztere schlägt der Uhu wendig und in hoher Geschwindigkeit in Gipfelhöhe der Bäume. Die Jagd auf bodenbewohnende Säuger vollführt er im Flug dicht oberhalb des Erdbodens. Auch am Boden ist der Uhu ein geschickter Jäger, der zum Beispiel eine flüchtende Maus mit weit ausholenden Schritten einholen kann.
Unverdauliche Teile der Beutetiere wie Knochen, Schnäbel, Zähne, Haare oder Federn würgen die großen Eulen in Speiballen aus, die Gewölle genannt werden. Obwohl erbeutete Igel auf den Rücken geworfen und von der Bauchseite her sozusagen ausgehöhlt werden, sodass nur der Igelmantel mit den Stacheln übrig bleibt, finden sich im Gewölle auch Igelstacheln. Wegen ihrer Länge von bis zu 13 Zentimetern und einem Durchmesser von bis zu viereinhalb Zentimetern sind Uhugewölle unverwechselbar.
Im September beginnt die Herbstbalz der Uhus. Jetzt halten sich die Altpaare wieder im direkten Umfeld ihres Nistplatzes auf, und neue Paare finden sich. Die Herbstbalz dauert bis in den November hinein und kann bei einem milden Verlauf des Winters nahtlos in die eigentliche Balz übergehen, in der das Männchen nun versucht, das Weibchen mit Lock- und Fütterungslauten zum ausgewählten Nistplatz zu führen. Nistplätze findet der Uhu sowohl in Bäumen oder Gebäuden als auch in Bodenmulden. Akzeptiert das Weibchen die vorgeschlagene „Wohnung“, beginnt das Männchen seine Partnerin mit Beutetieren zu versorgen und dies oftmals schon Wochen vor dem eigentlichen Brutbeginn. In Mitteleuropa brüten Uhus ab Ende Februar, die meisten im März und der Rest im April. Das Weibchen legt im Abstand von drei bis vier Tagen meist drei bis vier Eier, die es allein bebrütet. Die Küken schlüpfen nach 34 Tagen und tragen ein weißliches Daunenkleid. Ab einem Alter von sechs Tagen sind die Nestlinge in der Lage, auf ihren Fersen zu hocken, ab dem 16. Lebenstag können sie stehen.
Der Zeitpunkt, an dem die Jungen das Nest verlassen und zu Ästlingen werden, ist vom Brutplatz abhängig. Denn während sie in geschützten Fels- oder Gebäudenischen bis zu zehn Wochen verbleiben, verlassen sie Nistmulden am Boden bereits nach vier Wochen. Im Alter von etwa fünf Wochen können die Ästlinge sicher gehen, springen und klettern, fliegen ab der achten Woche.
Die Eltern versorgen ihre Jungen bis zu einem Alter von fünf Monaten mit Nahrung. Obwohl sie den Nistplatz und die Umgebung energisch gegen Eindringlinge verteidigen, überleben durchschnittlich nur drei von zehn Uhus das erste Lebensjahr. Dabei geht in Norddeutschland die größte Gefahr von Füchsen, Mardern und Waschbären aus, anderenorts auch von Seeadlern und Steinadlern. Bei frei lebenden Uhus wurde anhand von Beringungen eine Lebensdauer bis zu 27 Jahren festgestellt. Uhus in Volierenhaltung können 28 bis 34 Jahre alt werden, in einem Ausnahmefall erreichte ein Vogel sogar stolze 68 Jahre.
In der Europäischen Union werden in 500, in Deutschland in 188 Zoos Uhus gehalten.
Im Volkslied „Die Vogelhochzeit“ wird der Uhu spezifisch erwähnt, ansonsten ist in Sagen und Märchen oft unspezifisch von „Eulen“ die Rede. Das liegt wohl daran, dass – wie oben erwähnt – unsere größte Eule früher nicht gerne gesehen war. Wegen ihrer nächtlichen Lebensweise galt sie schon seit der Antike als Vogel der Unterwelt, als Trauer- und Totenvogel, dessen Erscheinen Krieg, Hungersnot, Trauer und Tod bedeutete. Auch hielt man sie für einen großen Jagdschädling, dem angeblich sogar Rehe und Hirschkälber zum Opfer fielen.
Andererseits haben Jäger vor allem im 19. Jahrhundert Uhus gerne für die Jagd auf andere Vögel genutzt, insbesondere Krähen. Denn diese „hassen“ den Uhu: Wenn sie ihn am Tage entdecken, schlagen sie Alarm – „hassen“ genannt – und attackieren ihn. Dies machten sich Jäger zunutze, indem sie einen jung gefangenen Uhu auf einen Pfahl setzten, sich in der Nähe in einem Erdloch, „Krähenhütte“ genannt, versteckten und von dort auf die angreifenden Krähen schossen. Wie dies vonstattenging, beschreibt der Schriftsteller und Dichter Hermann Löns um 1900 in den Erzählungen „In der Krähenhütte“ und „Vor dem Uhu“.
Auch in einigen volkstümlichen Texten wurde der Uhu erwähnt. So findet sich zum Beispiel in der Volksliedsammlung „Des Knaben Wunderhorn“ ein Gedichtzyklus, in dem zu jedem Buchstaben des Alphabets ein passender Vogel aufgeführt wird – zum U also der Uhu:
„Der Uhu sieht gar ernsthaft aus, als hätt‘ er hoch studiert,
Geht nicht aus seiner Höl‘ heraus, bis Nacht und finster wird,
All Dunkelheit ist ihm ganz hell, doch sieht er nichts bei Tag,
Drum ist er auch ein solch Gesell‘, den nie kein Vogel mag.“
Auch Hoffmann von Fallersleben hat für seine „Kinderlieder“ über den Uhu gedichtet:
„Warum fliegt doch der Uhu in finsterer Nacht?
Ich möcht wohl wissen, was dann er noch macht?
Er könnt wie andere Leute ja ruhn,
Er fände bei Tage genug auch zu thun.
„Wie ein Dieb muss ich leben in finsterer Nacht,
Dann geh` ich mit Frau und Kind auf die Jagd.
Des Tages erlaubt es die Sonne ja nicht,
Drum scheuen der Dieb und der Uhu das Licht.“
Text und Fotos:
Michael Rudolph