Vögel in Groß Borstel
Der Höckerschwan
Mit einem Gewicht von bis zu 14 Kilogramm und einer Länge von bis zu 160 Zentimetern ist er der größte Vogel Hamburgs. Seine Flügelspannweite erreicht 240 Zentimeter. Sie wird nur knapp vom Seeadler mit 244 Zentimetern übertroffen, der jedoch höchstens 92 Zentimeter lang wird. Die Rede ist vom Höckerschwan (Cygnus olor), der in der Familie der Entenvögel zur Unterfamilie der Gänse gehört und weltweit zu den schwersten flugfähigen Vögeln zählt.
Erwachsene Höckerschwäne besitzen ein durchgehend weißes Gefieder. Ihre Füße und Beine sind schwarz. Auffälligstes Unterscheidungsmerkmal zum Singschwan und Zwergschwan ist der orangerot gefärbte Schnabel mit schwarzer Schnabelwurzel und Schnabelspitze sowie der schwarze Schnabelhöcker – beim Männchen am stärksten während der Brutzeit ausgeprägt. Außerdem unterscheiden sich die Weibchen vom Männchen nur durch geringere Körpergröße und geringeres Gewicht.
Im Flug erzeugen die Vögel ein weit hörbares singendes Geräusch. Auch verfügen sie über ein variables Stimmenrepertoire. So geben erregte Schwäne ein hartes „hueiarr“ oder „kiorr“ von sich, auch ein leiseres „krr-krr-krr“ oder „tru-tru-truu“ sind zu vernehmen. Darüber hinaus fauchen sie laut, wenn jemand während der im März beginnenden Brutzeit ihrem Nest oder den Jungen zu nahe kommt. Dann ist es ratsam, sich zügig zu entfernen, denn in dieser Zeit sind die sonst so friedfertigen Vögel äußerst aggressiv und schrecken auch nicht davor zurück, Menschen anzugreifen.
Schwanenküken haben ein silbergraues – seltener auch weißes – Daunenkleid und eine weiße Bauchseite. Nicht ausgewachsene Jungvögel zeigen ein graubraunes Gefieder, das im Verlauf des ersten Lebensjahres heller wird. Der zunächst graue Schnabel entwickelt sich in dieser Zeit zunehmend Richtung orange. Nach und nach werden die graubraunen Federn verloren, ein völlig weißes Gefieder besitzen die Vögel nach der Mauser im zweiten Lebensjahr.
Höckerschwäne erreichen ein Alter zwischen 16 und 20 Jahren. Einen 1970 an der Kieler Förde beringten Vogel entdeckte man Anfang 2009 fast 40-jährig in Dänemark. Der bislang älteste Alsterschwan wurde 24 Jahre alt.
Britische Studien haben gezeigt, dass der Verlust an Gelegen, Dunenküken und Jungschwänen so hoch ist, dass nur etwa elf Prozent der Dunenküken jemals selbst brüten. Ursachen dafür sind Gelegeaufgaben infolge menschlichen Vandalismus sowie Hechte, unangeleinte Hunde, Füchse, und Nahrungsmangel insbesondere in sehr strengen Wintern. Der Bestand in Deutschland wird auf bis zu 14.500 Brutpaare geschätzt. Die Art gilt als nicht gefährdet.
In Deutschland unterliegt der Höckerschwan dem Jagdrecht und darf in der Regel vom 1. November bis zum 20. Februar geschossen werden. Einige Bundesländer, darunter auch Hamburg, verzichten aber auf diese Jagdzeit.
Höckerschwäne ernähren sich von Wasserpflanzen und den daran haftenden Kleinlebewesen wie Wasserasseln, Schnecken und Muscheln. Mit ihrem langen Hals gründeln sie in Tiefen bis zu 90 Zentimetern. Wenn im späten Winter die Unterwasservegetation nicht mehr ausreichend Nahrung bietet, fressen sie an Land auch Gras und Getreidepflanzen, bevorzugt Raps.
In Hamburg sind Höckerschwäne an menschliche Nähe gewöhnt. Sie brüten hier vor allem an der Alster mit seinen Nebenflüssen und recht flächenhaft in den Vier- und Marschlanden. Einzelne Vögel sind in Groß Borstel vom Mühlenteich kommend in der Tarpenbek zu beobachten. Der Bestand beträgt in Hamburg etwa 120 Brutpaare.
Höckerschwäne binden sich auf Lebenszeit. Paarungen finden frühestens im dritten oder vierten Lebensjahr statt. Das große Nest wird innerhalb von zehn Tagen von beiden Elternvögeln gemeinsam in Wassernähe, auf kleinen Inseln oder im seichten Wasser aus Zweigen, Schilf sowie Röhricht gebaut und geringfügig mit Daunen ausgepolstert. In der Regel besteht ein Gelege aus fünf bis acht gelbbraunen Eiern, die überwiegend vom Weibchen 35 bis 38 Tage lang bebrütet werden. Die Küken sind Nestflüchter und können vom ersten Lebenstag an schwimmen. Beide Elternvögel betreuen die Jungen, bis diese nach vier bis fünf Monaten flügge werden.
Aufgrund der oben genannten ausgeprägten Aggressivität in der Nestumgebung sowohl gegen Menschen als auch zum Beispiel gegen Hunde gelingen erfolgreiche Bruten auch in direkter Nachbarschaft zu stark frequentierten Wegen.
In Großbritannien hatte der Höckerschwan seit dem Jahre 1186 königlichen Status und 1361 wurde dort der erste Schwanenmeister ernannt.
In Hamburg ist der Schwan ein Wahrzeichen der Stadt und so zum Beispiel im Logo der Alster-Touristik GmbH zu finden. Auch gelten die Vögel hier als Glücksbringer: Solange sie auf der Alster schwimmen, bleibt Hamburg eine wohlhabende und freie Stadt. Bereits eine Abrechnung von 1591/1592 belegt, dass schon damals Höckerschwäne auf der Alster auf öffentliche Kosten mit Futter versorgt wurden. 1664 wurde in Hamburg das Beleidigen eines Schwans unter Strafe gestellt, denn wer einen Schwan beleidigt, trifft damit auch die Stadt.
Trotz des besonderen Status der Vögel ließ es sich nicht vermeiden, dass die Zahl der Alsterschwäne über die Jahrhunderte hinweg beträchtlich schwankte. So gab es hier 1813 während der Belagerung durch die Franzosen nur noch drei Schwäne. 1892 waren es 400 Tiere, nach dem Ersten Weltkrieg 1919 magere 16. Heute beträgt die Anzahl der Alsterschwäne gleichbleibend rund 120 Tiere.
1674 wurde mit der Einsetzung des Schwanenvaters die älteste Planstelle der Stadt geschaffen. Seit 20 Jahren ist Olaf Nieß in dieser Funktion aktiv. Sein Vater Harald Nieß übte das Amt als sein Vorgänger stolze 46 Jahre aus.
In jedem Herbst werden unter Leitung des Schwanenvaters die Schwäne von der Alster und den umliegenden Kanälen in Booten in ihr Winterquartier gebracht, dem an einer Stelle künstlich eisfrei gehaltenen Eppendorfer Mühlenteich. Im April werden die edlen Vögel von dort zurück auf die Alster getrieben.
Bis 1929 wurden allen Alsterschwänen die Flügel gestutzt, damit sie nicht wegflogen. Heute geschieht dies nur noch in seltenen Ausnahmefällen zum Beispiel bei solchen Tieren, die immer wieder drohen Opfer des Straßenverkehrs zu werden.
Hamburg hat niemals Schwäne verkauft aber oft welche verschenkt – zum Beispiel an Mexiko,
China und Brasilien. Zwölf Schwäne verschenkte Hamburg im Jahre 1860 anlässlich der Eröffnung des New Yorker Central Parks. Sieben Tage nach ihrer Ankunft waren sieben von ihnen tot – sie hatten Rattengift gefressen. Wären sie doch in Hamburg geblieben…
Text und Fotos: Michael Rudolph