VÖGEL IN GROSS BORSTEL

Der Gimpel (Dompfaff)

Er ist nicht zu übersehen! Mit der beim Männchen leuchtend roten Brust gehört der Gimpel (Pyrrhula pyrrhula), der im Volksmund auch Dompfaff oder Blutfink genannt wird, zu einem der auffälligsten Vögel in unseren Groß Borsteler Gärten. Gimpel gehören zur Familie der Finken und der Unterfamilie der Stieglitzartigen. Sie besiedeln Vorderasien, Ostasien, Japan, Sibirien und ganz Europa mit Ausnahme von Island, Südspanien und Griechenland. Gimpel sind überwiegend Stand- und Strichvögel, also keine Zugvögel. Nur sehr nördliche Populationen bewegen sich im Winter südwärts.

Die Tiere leben in Nadelwäldern, vorzugsweise in Fichtenschonungen. Aber man trifft sie auch in lichten Mischwäldern und in unseren Parks und Gärten an – sofern Nadelbäume vorhanden sind. Im Winter suchen sie gerne Futterstellen in Parks und Gärten auf.  Ihre Nahrung besteht hauptsächlich aus halbreifen oder reifen Samen von Wildkräutern und Bäumen sowie aus Knospen. Gelegentlich komplettieren auch Beeren und Insekten den Speiseplan.

Gimpel sind von gedrungener Gestalt mit kurzem Hals, weshalb sie in England den Namen „Bullfinch“ (Bullenfink) tragen. Ihre Länge beträgt 15 bis 19 cm, die Flügelspannweite 22 bis 26 cm und das Körpergewicht liegt bei 26 Gramm. Die Vögel weisen eine schwarze Kopfplatte, ein schwarzes Kinn und einen schwarzen kegelförmigen Schnabel auf. Dabei unterscheiden sich Männchen und Weibchen deutlich: So haben Männchen einen blaugrauen Rücken und weiße Flügelbinden. Unterbauch, Unterschwanz und Bürzel sind weiß, Wangen, Brust, Flanken und Oberbauch zeigen sich leuchtend rot. Die Füße sind schwarzbraun. Weibchen haben einen bräunlich grauen Rücken. Brust, Flanken und Unterseite zeigen eine hell graubraune Färbung mit einem ganz leichten Stich ins Rötliche. Die Füße sind schwärzlich.

Jungvögel ähneln den Weibchen, ihr Gefieder ist lediglich bräunlicher und der Kopf heller. Dieser wird jedoch im Zuge der ersten Jugendmauser nach sechs bis acht Wochen langsam schwarz.

Der verhaltene Gesang der Gimpel besticht mit einer Mischung von durchaus hübschen, aber auch etwas melancholisch klingenden Pfeiftönen.

Schon im 19. Jahrhundert war dieser Gesang so beliebt, dass durch den Handel mit Dompfaffen ein bedeutender Erwerbszweig entstand und sie gerne in Käfigen und Volieren gehalten wurden. Zu ihrem auffällig schönen Äußeren kam hinzu, dass Gimpel in Gefangenschaft bis zu drei verschiedene Melodien lernen und nachpfeifen können. Auch heute noch geben Züchter Gimpel als Käfigvogel ab. Allerdings ist die Entnahme von Eiern oder Jungvögeln aus Nestern in Deutschland bereits seit dem 1. Juli 1888 verboten. Gleiches gilt für den Handel mit Wildfängen. Durch die Vogelschutzrichtlinie der EU von 1979 gelten für alle Arten wildlebender heimischer Vogelarten Zugriffs- (und mit konkreten Ausnahmen) Vermarktungs- und Besitzverbote.

Gimpel führen eine monogame Brutehe. Die Paarbildung beginnt teilweise schon vor Einbruch des Winters und erreicht ihren Höhepunkt im Februar. Die Vögel werden schon im ersten Lebensjahr geschlechtsreif. Treffen nach der Jugendmauser zwei Gimpel verschiedenen Geschlechts aufeinander, setzt ein Ritual ein, das zur Paarbildung führen kann. Dabei fliegt das Weibchen mit drohend aufgerissenem Schnabel und heiseren Rufen auf das Männchen zu. Dieses hat eine instinktive Hemmung, Weibchen anzugreifen und reagiert daher entweder durch Wegfliegen oder Imponieren. Zeigt das Männchen keine dieser beiden Verhalten, kann es geschehen, dass es vom Weibchen angegriffen und verletzt oder sogar getötet wird. Ist das Männchen aber am Weibchen interessiert, signalisiert es dies durch Zurückweichen und anschließende vorsichtige Annäherung. Sobald es das Weibchen erreicht hat, berührt es dessen Schnabel und weicht wieder etwas zurück. Reagiert das Weibchen mit derselben Geste, wiederholt sich dieses Schnäbel-Ritual und die Paarbildung beginnt. Daraufhin kommt es zum „Zärtlichkeitsfüttern“, indem das Weibchen wie ein Jungvogel mit zitternden Flügeln das Männchen um Nahrung anbettelt. Das Männchen richtet sich auf und füttert das Weibchen aus dem Kropf. Dieses Verhalten dient zugleich dazu, die Dominanz des Männchens zu sichern.

Das Weibchen fordert schließlich das Männchen zur Paarung auf, indem es mit zarten Lauten lockt und sich mit zitternden Flügeln und wiegenden Körperbewegungen zur Kopulation niederduckt. Die Paarungen finden in der Regel mehrmals hintereinander in den frühen Morgenstunden statt. Schließlich fliegt das Paar gemeinsam auf die Nistplatzsuche. Sobald das Männchen eine geeignete Stelle gefunden hat, gibt es dort einen leisen Lockruf von sich. Akzeptiert das Weibchen das Angebot, beginnt es umgehend mit dem Nestbau. Der Nistplatz befindet sich meist in einer Höhe von 120 bis 180 cm in einer dichten Fichte, aber auch andere Nadelbäume und dichtes Gebüsch werden angenommen.

Während das Weibchen das ringförmige Nest aus Fichtenreisig und Halmen baut, wird es vom Männchen begleitet.

Die Eiablage erfolgt täglich in den Morgenstunden. Die 13 bis 14 Tage dauernde Bebrütung der vier bis sechs blaugrünlichen, dunkel gefleckten Eier beginnt erst, nachdem das Weibchen das letzte Ei gelegt hat. Dies ermöglicht ein annähernd gleichzeitiges Schlüpfen der Jungvögel. Das Weibchen brütet allein und wird währenddessen regelmäßig vom Männchen mit Futter versorgt.

Die Jungvögel schlüpfen blind und nackt aus den Eiern. Die ersten sechs Tage hudert das Weibchen die Kleinen und füttert sie aus dem Kropf mit der vom Männchen beschafften Nahrung. Diese besteht zunächst hauptsächlich aus Blattläusen, Ameisen und kleinen Gehäuseschnecken. Ab dem achten Tag öffnen die Jungen ihre Augen und geben Bettellaute von sich. Jetzt fliegen die Altvögel gemeinsam auf Futtersuche und kehren auch gemeinsam mit Futter zurück, das zu diesem Zeitpunkt überwiegend aus Sämereien besteht.

Etwa ab dem 16. oder 17. Tag nach dem Schlüpfen sind die Nestlinge in der Lage, bei Gefahr das Nest zu verlassen. Ab dem 20. bis 24. Tag nehmen sie allein Nahrung auf und sind ungefähr am 35. Tag selbständig. Die Lebenserwartung freilebender Vögel beträgt im Schnitt drei Jahre, höchstens jedoch sechs bis acht Jahre. In Gefangenschaft sind bis zu 17 Jahre dokumentiert.

Die europäische Population der Gimpel beträgt circa 7.3 Millionen und ist stabil. Daher gilt die Vogelart nicht als gefährdet. In Hamburg bestehen ungefähr 4.300 Brutreviere (Mitschke, Brutvogelatlas 2012). Bei der vom NABU initiierten „Stunde der Wintervögel“ im Januar 2022 meldeten die Teilnehmer für den Raum Hamburg 2.278 beobachtete Gimpel. Damit liegt der Gimpel in der Rangfolge der am häufigsten in Hamburg gesichteten Vögel auf dem neunten Platz – nach Kohlmeise, Amsel, Blaumeise, Haussperling, Ringeltaube, Rabenkrähe, Elster und Rotkehlchen.

Die Bezeichnung „Gimpel“ hat ihren Ursprung im mittelhochdeutschen Namen für diesen Vogel: Gümpel. Der Name leitet sich von dem Verb gumpen ab, das ungeschicktes Springen und Hüpfen auf dem Erdboden bezeichnete. In Anspielung darauf, dass die Tiere relativ leicht zu fangen sind, werden einfältige, unerfahrene, ungeschickte oder unbeholfene Menschen umgangssprachlich abwertend als Gimpel bezeichnet.

Den volkstümlichen Namen Dompfaff verdankt der Vogel seinem schwarz-roten Gefieder, das an das Ornat eines Domgeistlichen erinnert. Wobei das Wort „Dompfaffe“ meist die negative Bewertung eines Domgeistlichen niederen Ranges ausdrückt.

Auch in Kunst und Literatur lassen sich Gimpel finden. Dabei sind sie häufig schmückendes Hintergrundmotiv in alten Darstellungen des Garten Eden. So zum Beispiel in dem Gemälde „Paradiesdarstellung mit Sündenfall“ (circa 1615) von Jan Brueghel dem Älteren und Peter Paul Rubens (beide Künstler waren befreundet und arbeiteten oft zusammen, wobei sich Rubens auf die Gestaltung der Menschen beschränkte und Brueghel der Ältere für Fauna und Flora zuständig war). 1596 malte Jan Brueghel Gimpel auch im Gemälde „Paradiesische Landschaft mit der Arche Noah“, das die Versammlung der Tiere vor der Arche Noah darstellt.

In Otfried Preußlers Kinderbuch „Der Räuber Hotzenplotz“ wird die Hauptfigur vom bösen Zauberer Petrosilius Zwackelmann aus Wut in einen Gimpel verwandelt und in einen Käfig gesteckt.

In der Operette „Der Zigeunerbaron“ von Johann Strauss singen Saffi und Barinkay in ihrem Duett:

BARINKAY:       Wer uns getraut?

                                   Ei sprich!
SAFFI:              Sag’ Du’s!
BARINKAY:       Der Dompfaff, der hat uns getraut!
CHOR:            Der Dompfaff, der hat sie getraut!

                                   Ja, ja!

BARINKAY:       Im Dom, der uns zu Häupten blaut!

Text und Fotos: Michael Rudolph