Vögel in Groß BorstelDer Haubentaucher

Scheu ist er eher nicht: Der Haubentaucher (Podiceps cristatus) aus der Familie der Lappentaucher. Sein Name beruht auf den lappenartigen Ausstülpungen seiner Zehen, die der raschen Fortbewegung im Wasser dienen und somit den gleichen Zweck erfüllen wie die Schwimmhäute der Entenvögel. Der Haubentaucher ist der größte und wohl auch bekannteste Vertreter dieser Familie, zu der als Brutvögel in Deutschland auch Zwergtaucher, Rothalstaucher und Schwarzhalstaucher zählen.

Die Vogelart lebt in ganz Europa außer in Nordskandinavien und Island. Der Bestand in Mitteleuropa wird auf bis zu 90.000 und in Deutschland auf bis zu 31.000 Brutpaare geschätzt. In Hamburg ist langfristig eine starke Zunahme zu verzeichnen. Noch 1963 wurden nur zwei Brutpaare in der Stadt gezählt. Anfang der 1980er-Jahre wurde der Bestand auf 23 bis 33 Paare geschätzt und Ende der 1990er-Jahre wurden 130 gezählt. Heute leben in unserer Stadt über 180 Brutpaare. Die Art war 2001 in Deutschland „Vogel des Jahres“ und gilt als nicht gefährdet.

Haubentaucher bevorzugen als Lebensraum Gewässer mit ausreichender Ufervegetation. Das können Seen, Teiche, Boddengewässer und langsame Fließgewässer sein. In Deutschland sind sie Standvögel, weichen aber in strengen Wintern auf eisfreie Seen und Küstengewässer aus. Hamburg besiedeln die Vögel fast flächendeckend mit höchster Dichte im Gebiet der Außenalster und ihrer Kanäle. In und um Groß Borstel lassen sich Haubentaucher auf dem Alsterlauf, dem Eppendorfer Mühlenteich und im Eppendorfer Moor wunderbar beobachten. Ihr balzendes kräftiges „krra-ahrr“ oder „kraorr“ ist ebenso weit zu hören wie ihre kurzen wiederholten „kröck-kröck-kröck“-Rufe. Jungvögel geben ein bettelndes „vie vie vie“ von sich.

Mit einer Länge von 46 bis 51 cm haben Haubentaucher ungefähr die Größe von Stockenten. Im Prachtkleid sind die Stirn, der Scheitel und der Nacken der Vögel schwarz. Unverwechselbar machen sie dann die bei Erregung aufrichtbare schwarz-rotbraune Haube und der abspreizbare rotschwarze Kragen.

Die rötlichen Schnäbel der Vögel zeigen einen braunen First und eine helle Spitze. Die Iris ist rot mit einem hellen Ring um die Pupille. Die Beine und Schwimmlappen sind grünlichgrau.

Männchen und Weibchen unterscheiden sich nur wenig voneinander: Männchen sind etwas größer und besitzen im Prachtkleid einen etwas breiteren Kragen und eine längere Haube.

Haubentaucher Paar mit Fischgeschenk

Die Vollmauser vom Prachtkleid ins Schlichtkleid kann bereits während der Brutzeit im Juni beginnen und bis Dezember andauern. Danach ist bei beiden Geschlechtern die Oberseite des Kopfes schwarzgrau, die Haube ist kurz und der Kragen fehlt entweder völlig oder ist nur durch einzelne rote und schwarze Federn angedeutet. Die Mauser vom Schlichtkleid ins Prachtkleid beginnt bereits im Winter und findet Ende März bis Anfang April ihren Abschluss.

Haubentaucher können bis zu 45 Sekunden unter Wasser bleiben, dabei beträgt die maximal nachgewiesene Tauchstrecke 40 Meter. Die Vögel ernähren sich hauptsächlich von kleinen Fischen, aber auch von Krebsen, Insekten, Schnecken, Molchen und Fröschen.

Haubentaucher führen eine monogame Saisonehe. Ihre Balz beginnt bereits im Winter und dauert an, bis die Paare anfangen, sich ab März mit dem Nestbau zu beschäftigen. Auffälligstes Balzritual ist die „Pinguin-Pose“, bei dem die Partner Brust an Brust sich hoch im Wasser aufrichten, ihre Köpfe schütteln und mit den Füßen auf das Wasser schlagen. Schließlich werden Geschenke in Form von Futter und Nistmaterial überreicht. Die Tiere errichten während der Balzzeit ein oder mehrere Nester, die zunächst vor allem als Paarungsplattform dienen. Ihr Hauptnest bauen sie bevorzugt am Außenrand eines Gewässers, aber auch als an Halmen verankertes Schwimmnest. Am Nestbau, der meist zwischen zwei und acht Tage dauert, beteiligen sich beide Partner. Legebeginn ist in Mitteleuropa zwischen April und Ende Juni. Das Gelege besteht meist aus drei bis vier Eiern, die zunächst weiß, später aber grünlichbraun sind und abwechselnd von beiden Partnern 27 bis 29 Tage lang bebrütet werden. Der Kopf der Küken ist schwarz-weiß gestreift und weist drei nackte rote – bei Körperabkühlung grauweiße – Flecken auf. Sie sind Nestflüchter und können vom ersten Tag an schwimmen. In den ersten Wochen werden die „Mini-Taucher“ jedoch überwiegend auf dem Rücken der Altvögel getragen und unter den Flügeln gewärmt sowie vor Fressfeinden versteckt. Auch während der Fütterung sitzen sie meist auf dem Rücken eines Elternvogels, während der andere Elternteil die Nahrung übergibt. Diese besteht zunächst aus Insekten und Larven, später aber auch aus kleinen Fischen. Außerdem ist häufig das Verfüttern von Federn zu beobachten, das den Verdauungstrakt der Küken vor Verletzungen durch Fischgräten schützen soll. Selbstständig werden die Jungen schließlich im Alter von 71 bis 79 Tagen.

Haubentaucher Paar Nest Eier
Haubentaucher Fütterung Rücken
Haubentaucher Pinguintanz

Der Vogel spielte vor allem im 19. Jahrhundert auch für die Modeindustrie eine Rolle. So wurden Haubentaucherbälge, insbesondere das dichte und seidige Gefieder von Brust und Bauch, häufig in Kragen, Hüten und Muffen verarbeitet. Als Reaktion darauf entwickelte sich während dieser Zeit der Schutz der Haubentaucher zum Gründungsziel einer britischen Tierschutzvereinigung, aus der später die „Royal Society for the Protection of Birds“ (RSPB) hervorging.

Darüber hinaus waren Anfang des 20. Jahrhunderts die Balzrituale der Haubentaucher Anlass bahnbrechender verhaltenskundlicher Studien, auf deren Grundlage später die Forscher Konrad Lorenz und Nikolaas Tinbergen aufbauen konnten. Für ihre Entdeckungen zur Organisation und Auslösung von individuellen und sozialen Verhaltensmustern erhielten sie zusammen mit Karl von Frisch 1973 den „Nobelpreis für Physiologie oder Medizin“.

Hermann Löns, Altmeister der Tiernovelle, schildert den Haubentaucher folgendermaßen:

Haubentaucher Pullus auf Rücken

„Mitten auf dem See schwimmt er, nicht ungeschickt und plump wie die Wasserhühner und Enten, die weit aus dem Wasser ragen, sondern wie ein Torpedoboot saust er dahin, nur einen schmalen Strich des Rückens, den langen Hals und den Kopf zeigend. Aber was für ein Kopf auch! Erstens die langen, dunklen Federhörner über der Stirn und dann der fuchsrote, schwarzbraun gesäumte Kragen um das silberweiße Gesicht, der ihm ein fremdes, unheimliches Aussehen gibt, und darin der dolchspitze, lange, rosenrote Schnabel.

Mögen die anderen leidliche Taucher und annehmbare Schwimmer sein, an ihn reichen sie nicht heran. Hat einer von ihnen so praktische Schwimmfüße wie er? Wie ein Messer, so scharf sind die Läufe. Und dann der Leib! Platt und zugespitzt ist er, so dass er das Wasser wie ein Torpedo durchschneidet, und kein unnützer Ballst von Flügeln und Schwanz beschwert ihn. Wie Schuppen liegen die Federn an, und so dicht und fest sind sie, dass kein Wassertröpfchen auf die Haut gelangt. Der Pinguin und der Alk allein können mit ihm wetteifern an Zweckmäßigkeit des Körperbaues für die Taucherarbeit.“

Was für ein schönes Kompliment!

Text und Fotos:
Michael Rudolph